Sonntag, 15. November 2020

Leseprobe: "Das Gerücht" von Michael Uhlworm

 


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wo steht geschrieben dass eine Kurzgeschichte möglichst kurz sein muss? Natürlich, wenn sie in einer Zeitschrift erscheinen soll, muss man schon Zeilenvorgaben einhalten ansonsten würde sie den Rahmen sprengen. Während meiner Autoren-Ausbildung wurde ich darauf trainiert 60 - 80 Zeilen nicht zu überschreiten. Tat ich es doch einmal, bekam ich die Geschichte umgehend und unbenotet zurück um sie entsprechend zu kürzen. 
In meinen Büchern sind meine Kurzgeschichten häufig recht lang. Zwanzig bis dreißig Buchseiten sind keine Seltenheit. Die benötige ich auch, ganz besonders bei den Satiren. 
Die Leseprobe hier unten ist eine von denen, in der ich aus der Harmlosigkeit in eine bedrohliche Atmosphäre bis hin ins Absurde und Aberwitzige überwechsele. Sie stammt aus meinem Buch: "Schöne Aussichten - bei diesen Nachbarschaften!" Teil 1

Bitte entschuldigt die vielen Werbeeinblendungen, ich weiß, sie können nervig  sein. Doch leider sind mir in diesen Corona-Zeiten sämtliche, fest gebuchten Lesungen weggebrochen und abgesagt worden. Trotzdem muss irgendwie Butter aufs Brot. Aber so geht es z.Zt. den meisten Freischaffenden und ich kenne einige, die verzweifelt nach anderen Möglichkeiten suchen um irgendwie an ein Einkommen zu kommen. Also liebe Freundinnen und Freunde: Es ist nur Werbung auf die ich keinen Einfluss habe, die aber nicht weh tut. Besuchen Sie auch meine Seite "meine Bücher und eBooks".

Ich wünsche viel Vergnügen.
Michael Uhlworm


Das Gerücht


Als Hausmeister muss man seine Antennen nach allen Seiten ausrichten und ständig auf Sendung sein, wenn man nicht von etwas überrascht werden wollte, das einem unter Umständen gehörig gegen den Strich ging.

Schon seit Tagen lag dieses Wispern in der Luft, dessen Inhalt sich mir nicht offenbaren wollte. Doch es war eindeutig da, wie das elektrisierende Knistern erhitzter Luft, die sich jeder Zeit rasant entladen konnte.

Manchmal war das Kommende, sich anschleichende Unheil beinahe greifbar, wenn es sich in ausweichenden Blicken oder dem Wechseln der Straßenseite bei einer zufälligen oder sich anbahnenden Begegnung aufflackernd zeigte und um die Ecke lugte.

Mein Radar signalisierte mir eindeutig, dass eine Gefahr im Anzug war, der ich mich stellen musste. Doch wo und wie sollte ich mich aufstellen oder mich ihr entgegenstellen, wenn ich doch noch nicht die geringste Ahnung hatte aus welcher Richtung sie auf mich zurollen würde?

Keine Frage, ich musste die Ursache, den Grund dieser in mir widerstreitenden Gefühle herausfinden, bevor ich überhaupt in irgendeiner Weise aktiv werden- oder auch nur daran denken konnte, irgendwelche Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Ich ahnte nur eines, es hatte mit meinen Mietern in der mir anvertrauten Wohnsiedlung hier zu tun. Warum sonst gingen mir persönlich bekannte Menschen aus dem Weg, die ansonsten immer aufgeschlossen für einen kleinen Plausch mit mir waren. Die mit Freuden eine kleine Denunziation vom Stapel ließen, oder mit verstecktem Spott über eine Nachbarin herzogen, die öfter Herrenbesuch bekam als ihr, oder ihrem guten Ruf, guttat.

Manche steckten mir schon mal eine Tafel Schokolade zu um einen kleinen, nett gemeinten Bestechungsversuch bei mir anzubringen wie beispielsweise eine Klosettschüssel gegen eine mit größeren Radius auf Kosten der Wohnungsgesellschaft auszutauschen, weil der Hintern der Angetrauten jetzt über die alte hinweg schwappte, seit sie ihre hundertste Diät abgebrochen hatte, was ihr ein unangenehmes Sitzen verursachte, das ihr wiederum grässliche Launen machte, die ihm wiederum die Freuden eines Fußballspiels im Fernsehen nahmen.

Oder auch nur, um hinterrücks darum zu bitten, den Rauhaardackel des Nachbarn unauffällig in meine Mikrowelle zu bugsieren und die auf eine Stunde bei Höchststufe einzustellen, weil der einem immer vor das Schienbein pinkelte, wenn er sich bei einer Begrüßung überschwänglich freute und man die Reinigungskosten für urindurchnässte Beinkleidung über war, man selber aber dem ansonsten netten Nachbarn mit makellosem Gewissen sein Beileid über diesen schmerzlichen Verlust aussprechen wollte.

Alle die, mir lieb und teuer gewordenen Menschen entzogen sich mir, indem sie schnell um eine Ecke bogen und so taten, als hätten ihre Weitwinkelobjektive mein Nähern nicht wahrgenommen hatten Angst, nur wovor?

Ich musste offensiv werden. Ich musste sie stellen, einen nach dem anderen nur so konnte ich wieder Herr über eine Situation werden, die mir entglitten war. Ich benötigte eine gute Tarnung, die ein Vorzeitiges entdecken meiner Person und damit einhergehend die Möglichkeit eines rechtzeitigen Entkommens verhinderte.

Ich kramte in meinen Schränken.

Die Sonnenbrille.

Nun war das Wetter mit tief stehenden Wolken nicht unbedingt sonnenbrillengerecht, aber wie viele berühmte Persönlichkeiten von der ersten Klasse bis zum Z-Sternchen der Regenbogenpresse trugen aus ästhetischen Gründen, die bei manchen durchaus angebracht waren sogar im Dämmerlicht Sonnenbrillen.

Der dunkle Trenchcoat mit den Schulterklappen.

Nun war der ein wenig aus der Mode, machte aber in detektivischer Hinsicht durchaus Sinn, wenn man dem Ensemble aus Sonnenbrille und Trenchcoat noch eine Pfeife aus Meerschaum hinzufügte.

Sandalen oder Boots?

Das war keine so einfache Entscheidung. Als Hausmeister trug ich immer robuste Schuhe mit einer Stahlkappe vorne drin. Man sollte harte Dinge, die der Schwerkraft gehorchten, nicht unterschätzen und so eine Stahlkappe kann durchaus die ein oder andere Zehe vor Schaden retten, wenn da was gefallen kommt. Somit schieden die Boots wegen zu großer Ähnlichkeit mit den Arbeitsschuhen aus. Blieben also nur noch die Sandalen, die hellbraun waren und meine Zehen nicht schützen konnten. Eine perfekte Tarnung für untenrum also. Wer vermutete schon einen Hausmeister in hellbraunen Sandalen auf sich zuschlurfen zu sehen?

Ein Hut, meine Frisur konnte mich durchaus verraten.

Hier war die Entscheidung sehr einfach. Erstens besaß ich, außer einer schwarzen Wollmütze gar keine Kopfbedeckung und zweitens verkleidete ich mich zu Karneval immer als Cowboy und trug selbstredend einen dunkelbraunen Hut mit breiter Krempe der Marke Stetson mit dazu.

So stand ich vor dem Spiegel meines Schlafzimmerschrankes und betrachtete das, was mir seitenverkehrt gegenüberstand und erkannte mich selbst nicht wieder.

Eine Mischung aus Indiana Jones, einem Trenchcoattragenden Jeti und Kommissar Maigret war das, was aus mir geworden war. Ich war stolz auf mich und meine Tarnkünste. Meine Ermittlungen konnten beginnen.

So gewandet begab ich mich auf die Straße und veränderte selbstredend und ganz automatisch meinen Gang. Den Kopf zog ich zwischen meine Schultern, was mir einen kleinen Buckel auf den Rücken machte. Die Hände vergrub ich Tief in den Manteltaschen und das rechte Bein zog ich ein bisschen nach, was meinem Schritt etwas schlurfiges gab. Ich kam etwa zweihundert Meter weit.

Ein Streifenwagen hielt neben mir.

»Polizei, hallo, Sie da! Bleiben Sie bitte mal stehen.«

Layla. Sie baute sich breitbeinig vor mir auf. Die Handschellen an ihrem Gürtel schaukelten einladend hin und her und die Pistole in ihrem Halfter ließ für Kompromisse keinen Raum..

»Zeigen Sie mir bitte ihren Personalausweis. Sie haben doch einen dabei, oder?«

Ihre rauchige Stimme, die Pistole und die baumelnden Handschellen an ihrer Seite, bildeten eine Szene aus einem Kriminalfilm ab, dessen Titel mir gerade nicht einfiel.

Ich flüsterte beschwörend:

»Bitte Layla, ich bin es, der Tino. Bitte lass meine Tarnung nicht auffliegen.«

Ihr Blick war Misstrauen und Verwunderung zugleich.

»Tino? Habe ich Karneval verpasst oder observierst du?«

»Observieren ist nicht der richtige Begriff, ich ermittle eher«, gab ich mich professionell.

Das erkennende Leuchten ihrer blauen Augen, produzierte Begreifen.

»Okay, gegen wen richten sich deine Ermittlungen, kann ich dich unterstützen?«

Sie zwinkerte mir kollegial zu.

»Ich habe noch nicht die geringste Ahnung Layla. Deswegen meine Verkleidung, die Leute hier sollen mir unvoreingenommen begegnen und nicht sofort den Hausmeister in mir erkennen.«

Sie prustete verstohlen.

»Tino, du siehst aus wie ein Berber vom Jahrmarkt. So bekommst mit Sicherheit keinen Kontakt zu irgendwem hier. Eher vernageln die ihre Fenster, wenn sie dich sehen.«

Da war was dran, musste ich ihr und mir eingestehen. Aber schließlich wollte ich ja auch keinen Nachbarschaftsplausch führen, sondern nur aus sicherem Versteck beobachten, was sich um mich herum tat.

Layla war klug. Sie tat so, als hätte sie mich überprüft und alles wäre in Ordnung. Sie hob ihre Hand zum Gruß an den Schirm ihrer Dienstmütze.

»Dann noch einen schönen Tag der Herr.«

Ich schlurfte weiter, meine Blicke nach links und rechts werfend. Da, ein erster Abfalleimer an der Straßenlaterne. Die Bewohner hier warfen keine Pfandflaschen in die öffentlichen Abfalleimer hier, das Pfandgeld brauchten sie selber. Einen angenehmen Nebeneffekt hatte das auch, es verirrten sich keine Obdachlosen oder Rentner mit Mindestbedarfseinkommen aus anderen Wohngegenden nach hier. Es gab hier einfach für sie nichts zu holen.

Aber aus detektivischer Sicht sind öffentliche Müllbehälter manchmal eine wahre Fundgrube, wenn die Ermittlungen noch nicht über einen Anfangsverdacht hinausgegangen sind. Ein Täter müsste doch gebauchpinselt sein, entsorgte er etwa das Corpus Delikte im eigenen Mülleimer vor dem Haus.

Ich sicherte meine Umgebung mit schnellen Blicken in alle Richtungen und durchwühlte den Müllbehälter. Was war das?

Ein zerknüllter gelber, bedruckter Handzettel. Gelbe Handzettel sind mir immer verdächtig. Nun ist die Farbe gelb nicht so eine starke Signalfarbe wie rot, doch signalisiert sie oft eine Gefahr, die über ein latentes Empfinden hinausging.

Ich strich in glatt und las:

Wehrt euch Bürger!

Wir lassen uns nicht aus unseren Wohnungen rausschmeißen und von hier vertreiben. Setzt dem Wohnungskapitalismus der Immobilienhaie ein Ende. Unser Viertel gehört uns und nicht den Russen oder Chinesen oder sonst wem von irgendwo!

Ich erschrak. Wen meinte der Verfasser? Von welchem Viertel war die Rede? Was hatte es mit Wohnungskapitalismus auf sich? Und was sollte der Vorwurf an Russland oder China?

Nun, ich erinnerte mich an ein paar ältere Russlanddeutsche, die hier wohnten und ihre Rente verjuxten und an ein Pärchen mit zwei Kindern aus Vietnam, er Fensterputzer und sie Reinigungskraft im Krankenhaus. Beides fleißige Leute. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die, die alten Russen und die beiden Vietnamesen in einer konzertierten Aktion irgendwen aus ihren Wohnungen werfen und vertreiben wollten.

Die Angelegenheit wurde mir immer nebulöser.

Gedankenverloren schlurfte ich weiter, den Handzettel hatte ich in meiner Manteltasche vergraben. Ich entdeckte den Kiosk, ich war mir gar nicht bewusst, dass ich schon so viele Meter gegangen war. Aber es war gut so, ein Wasser konnte ich jetzt gut gebrauchen.

»Hallo Julio, hast du bitte eine Flasche Wasser für mich?«

Der alte Italiener musterte mich kritisch und zunehmend argwöhnisch, als er überlegte, wer ich denn sein könnte..

»Hast du überhaupte Geld dabei? Wer bist du überhaupte eh? Ich geben null Kredit an nix und niemande. Basta Signore.«

Natürlich, in meinem Aufzug konnte er mich ja nicht erkennen.

»He Julio, ich bin es, der Tino, der Hausmeister. Ich bn nur ein wenig verkleidet.«

Ich hob meinen Hut ein Stück und lupfte die Sonnenbrille so, dass er meine Augen sehen konnte.

»Isse nicht war. Du Tino, eh? Was mache du in dem Kostüm? Isse Karnevale? Nix isse Karnevale, bisse im falsche Jahr. Party finito und vorbei. Capito?«

Sein Italodeutsch war herzzerreißend und ich musste lachen.

»Ich weiß Julio, aber mein Kostüm ist eher eine Art Tarnung. Ich muss wissen, was in unserem Viertel los ist. Alle Mieter hier, auch die die mich gut kennen, gehen mir seit Tagen aus dem Weg. Niemand will mit mir reden und ich mache mir ernsthafte Sorgen. Weißt du vielleicht Näheres Julio? Du bekommst doch hier im Kiosk allerhand mit.«

Julio nahm ein Glas aus dem Regal hinter sich und begann, es mit einem Handtuch heftig zu polieren. Dabei sah er angestrengt zu Boden und hauchte das Glas ab und zu an um es noch heftiger mit dem Handtuch zu malträtieren. Er sagte kein Wort.

»Julio, du musst mir nicht den Sizilianer geben. Jetzt komm schon du Möchtegernmafiosi, spuck es schon aus, was ist hier los?«

Doch Julio blickte an mir vorbei zur Straße hinaus, als wäre ich Luft, dabei pfiff er eine traurige Arie aus einer italienischen Oper vor sich hin.

Es war zwecklos, ich hätte schon eine peinliche Befragung bei ihm durchführen müssen um ihn zum Reden zu bringen.

Ich verließ den Kiosk und Julio mit wirbelnden Gedanken im Kopf über die Mafia im allgemeinen, effiziente Foltermethoden und dem unangenehmen, ja drohendem Gefühl eines sich nahenden Unheils.

Ich musste mich Rückversichern und rief Rebecca Sanches, eine Vertraute, die unter anderem für Neumieterbetreuung zuständig war und in der Firmenzentrale saß.

»Hi Rebecca, Tino hier, alles klar bei dir?«

Ich wollte erst einmal unverbindlich klingen und auf Zwischentöne achten, bevor ich mit der Tür ins Haus fiel. Schließlich wollte ich mich mit meinem unguten Gefühl nicht lächerlich machen. Nachher galt ich noch als Paranoid.

»Schön von dir zu hören Tino. Ja, bei mir ist alles tippitoppi. Was kann ich für dich tun? Brauchst du mal wieder Infos über eine neue, heiße Mieterin? Ich sage nur ein Wort: Datenschutz.«

So weit war es schon mit mir und meinem Ruf als Weiberheld. Natürlich hatte sich meine Vorliebe für Nora herumgesprochen, die auf der Johannstraße 13 im Dachgeschoß wohnte.

»Nö meine Liebe, mir ist im Moment noch keine aufgefallen. Es ist nur so, als Hausmeister ist man irgendwie auch Einzelkämpfer und auf sich alleine gestellt und hat manchmal Sehnsucht nach seinen netten Kolleginnen in der fernen Zentrale in einer unbekannten Galaxis.«

Sie lachte süffisant auf und wurde verschwörerisch leise.

»Nun mein kleiner Astronaut, wie sollte ich dir von so weit nur näherkommen können? Haben Sie da eine Idee Captain Kirk?«

Nichts!

Da war nichts zwischen den Zeilen herauszuhören. Rebecca verhielt sich wie eh und je. Kein Rauschen, kein Wispern, alles klang so stinknormal. Vielleicht war der Gedanke einer sich anbahnenden Paranoia bei mir doch nicht so abwegig.

»Keine Idee. Ich bieg dann mal wieder in meine Umlaufbahn ein. Bis bald Rebecca.«

Ich legte auf.

Natürlich hätte ich noch Kurt Haber anrufen können, Rebeccas Chef und so etwas wieein Freund von mir, seit ich ihm durch Zufall zu dem Posten als Leiter für Neuvermietungen verholfen hatte. Aber das war mir dann doch zu heikel.

Es ging auf den frühen Nachmittag zu und die Straßen waren immer noch menschenleer. Ich fühlte mich wie in einer Geisterstadt in Kalifornien im neunzehnten Jahrhundert, nachdem alles Gold geschürft und auch die Dirnen abgezoogen waren, als ich hinter mir ein Geräusch gewahr wurde.

Erschrocken drehte ich mich um und konnte nicht fassen, dass sogar ein Elektroauto in dieser unnatürlichen Stille, lärmend wie ein Schnellzug daherkam. Auf dem Dach befand sich ein Lautsprecher. Auf der Motorhaube stand: Mogelhammer, der Baumarkt Ihres Vertrauens.

Ich war noch mit der Frage befasst, was ein Elektroauto eines Baumarktes mit einem Lautsprecher auf dem Dach bedeuten konnte, als es plötzlich loszuplärrte:

Ab morgen Supersonderangebote. Stabile Holzplanken in jeder Größe verfügbar. Der Meter nur 99 Cent. Extrastrake Stahlschrauben im Megapack für nur 2,99 Euro. Selbschussanlagen mit Gummigeschossen, importiert aus Bulgarien nur 99 Euro. Blendgranaten aus Beständen der ehemaligen NVA, das Stück nur 5 Euro. Überwachungskameras ..., weiter kam die Werbedurchsage nicht.

Sie wurde von lautem Gedröhn und Getöse übertönt und das Elektroauto links und rechts von Motorrädern einer bekannten Rockergang aus der nahegelegenen Kreisstadt überholt, eingekeilt und zum Anhalten gezwungen.

Glatzköpfige Rocker mit Langhaartoupets rissen die Wagentüren auf und zerrten zwei anzugtragende, schwachprotestierende junge Männer aus dem Wagen.

Einer der Rocker wollte sich in den Kleinwagen zwängen, musste sein Unterfangen aber wegen seiner Muskelmasse, deren Herstellung viel zu kostspielig für den Wagen, der für japanische Durchschnittsmänner oder mitteleuropäische Frauen ausgelegt war, einstellen und einem Juniorrocker von geschätzten dreizehn Jahren, den Vortritt lassen.

Der Lautsprecher kreischte, als er mit dem eingeschalteten Iphone des Juniorrockers rückkoppelte. Die Fenster der Häuser blieben verschlossen und dunkel.

Jetzt endlich erklang die nörgelige, jugendliche Stimme des Nachwuchsrockers aus dem Lautsprecher:

Hört zu ihr armen, wehrlosen Mieter! Wir, die Hardcore Flippers aus der Kreisstadt nebenan beschützen Euer Haus, Hof und Heim. Hier kommt kein Fremder, kein Feind herein.

Pro Nase kostet Euch unser Superschutz nur 100 Euro. Zahlbar in Bar, Keine Schecks. Verstanden? Also, ihr armen und wehrlosen Mieter ...,weiter kam er nicht.

Ich hatte dieses Geräusch, als es noch aus der Ferne kam nicht richtig einordnen können, obschon es mir irgendwie bekannt vorkam.

Doch jetzt war mir sonnenklar, was da vom Himmel kam ...weiter geht es im Buch





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Dienstag, 10. November 2020

Leseprobe: Reich und Arm oder Macht und Ohnmacht

 Liebe Leserinnen und Leser,

"Reich und Arm, Macht und Ohnmacht" ist der Titel einer aktuellen, satirischen Kurzgeschichte aus meinem Buch "Buch der Satiren - bitter bis schwarz", von der ich Ihnen eine kleine Kostprobe hier gebe. 

Die Geschichte mag zum Schmunzeln anregen, vielleicht bei manchen auch ein Kichern hervorrufen. Doch eigentlich ist sie bitter Ernst gemeint, gerade in Zeiten in denen sich das Kapital immer öfter und unverblümter auf die großen Haufen setzt, währenddessen sich viele in unserer Gesellschaft für kleines Geld verschachern müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Ein Tipp, besuchen Sie auch "meine Bücher und eBooks- Seite".



Reich und Arm oder Macht und 

Ohnmacht



»Es geht uns doch gut. Oder meinen Sie etwa nicht? Nun, dann sehen Sie sich doch einmal um in unserem Lande. Die Wirtschaft wächst stetig und die Arbeitslosen gibt es quasi nicht mehr.«

Der Mann aus der Regierungskoalition lehnte sich zufrieden zurück und wartete auf Applaus, der geradezu frenetisch kam. Er hatte eben eine große klatschende Familie.

Die Moderatorin blickte auf ihren Spickzettel, sah dann auf und lächelte optimistisch in die Runde und vergas die Kamera nicht, die sie nicht vergessen durfte da sie ihr, wenn sie nur rhythmisch hinein lächelte den Job garantierte und sie nicht arbeitslos werden ließ.

»Frau Müller, Sie putzen ja gerade schwarz bei den, sagen wir einmal Mayers. Geht es Ihnen denn auch gut?«

Frau Müller knetete ihre Hände und rang um Fassung. Sie war ganz klar ersichtlich keine ausgebildete Kameraprofin.

»Ja, nein, ich meine natürlich nein. Die Mayers zahlen mir nur 3 Euro die Stunde und eine Pause habe ich auch nicht.«

Die Frau der Oppositionspartei wurde Puterrot im Gesicht und ihre Hände zitterten vor Empörung. Das Training mit Herrn Dr. Wohlleben, ihrem persönlichen empirischen Verhaltensforscher zeigte hart erarbeitete Ergebnisse.

»Da sehen Sie, sie hören es ja. Die arme Frau muss schwarz putzen gehen und das für 3 Euro die Stunde! Wissen Sie eigentlich, was mich meine Putzfrau kostet? Die ist angemeldet und ich muss ihr sage und schreibe den vollen gesetzlichen Mindestlohn zahlen, sonst mache ich mich strafbar. Nennen Sie dass etwa soziale Gerechtigkeit?«

Die Moderatorin wurde kurz besorgt. Das stand nicht auf dem Zettel. Sie musste improvisieren, da sie richtigerweise vermutete, dass ihr Intendant mit Parteibuch ihre Sendung begutachtete.

Sie brauchte jetzt ganz schnell unbedingt etwas weichgespültes, etwas nettes oder amüsantes das die schwer aufgeregten Gemüter beruhigte. Sie entschied sich spontan für den Wirtschaftsweisen. Der war nach ihrer Erfahrung immer für lau und flau zu haben.

»Herr Prof. Dr. Dr. Ahnungslos. Sie gehören ja dem Rat der Wirtschaftsweisen an, was denken Sie, könnte man den Mindestlohn nicht bei 3 Euro deckeln, oder einfrieren, damit Frau Müller sich nicht mehr so diskriminiert fühlt und aus ihrer kriminellen Situation herauskommt und wieder ein ordentliches Mitglied unserer Gesellschaft werden kann?«

Der Wirtschaftsweise musterte Frau Müller mit scharfen und vorwurfsvollem giftigen Blick, ehe er sich bequem ins Polster zurücklehnte und seine Brille mit seiner gelben Krawatte putze. Er ließ sich Zeit, da er annahm, dass seine Meinung zählte und Gewicht hatte.

»Nun«, kam es gedehnt von ihm, »nun, man könnte der Frau Müller, natürlich nur unter gewissen sozialökonomischen Gesichtspunkten, die selbstverständlich juristisch betrachtet, weder abgesichert noch irgendwie entschuldbar wären, ausnahmsweise eine Amnestie gewähren. Aber selbstverständlich nur unter der Betrachtung eines umfassenden Schuldeingeständnisses und der sofortigen Zahlung ihrer rückständigen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen, ja man könnte den Mindestlohn, der meines Erachtens sowieso viel zu hoch ...«

Die Frau der Oppositionspartei sprang behände auf den Tisch. Die schwarzen Seidenstrümpfe, mit Strass besetzt, funkelten sehr hübsch in die Kameralinsen und dem Kameramann wurde warm, so untenrum.

»Nicht mit mir! Der Mindestlohn bleibt mir unangetastet. Das habe ich und meine Partei unseren Wählern und Wählerinnen versprochen. Dafür haben wir hart gekämpft. Und wenn irgendwer denkt, ich ließe mich einfach so zum Mundhalten nach Brüssel abschieben, dann sage ich, da haben Sie sich ganz schön geschnitten.«

Mit ihren Gucci-Pumps kickte sie flott das Wasserglas des politischen Gegners um. Da der aber wusste, dass Wasser keine Flecken auf seinen Armani-Anzug verursachen würde, blieb er gelassen und lächelte wieder ins Familien-Publikum, stellte sich tapfer und produzierte sein vielfach, vor seinem Garderobenspiegel geprobtes Überlegenheitslächeln auf sein Gesicht.

»Nun meine Liebe, ihre linke politische Gesinnung ist ja jedem hier und ganz besonders meiner Frau und meinen beiden Söhnen bekannt. Meine Familie und ich haben ihre politischen Forderungen bei unserer Reinemachefrau, ich bestehe hier auf eine korrekte und nicht diffamierende Berufsbezeichnung, sogar um 8 Cent überschritten. Das nenne ich monetäre Aufwertung sowie soziale Akzeptanz der erbrachten Dienstleistungen von Frauen die ja sonst nichts anderes können als putzen. Und vor allen Dingen meinen großen Respekt vor unseren putzenden, weiblichen Mitbürgern möchte ich hier und jetzt ganz deutlich zum Ausdruck bringen.«

Die Moderatorin folgte ihren Instinkten. Ihr Bauchgefühl befahl ihr, unauffällig ihre Cartier vom Handgelenk abzunehmen ... mehr im Buch

von
Michael Uhlworm


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