Montag, 12. Februar 2018


Leseprobe




Liebe Leserinnen und liebe Leser,

in Kürze werde ich ein Taschenbuch mit Kurzgeschichten herausbringen, was sich ausschließlich mit dem alltäglichen Wahnsinn befasst, den Herr Müller und seine Chihuahua-Lady Daisy erleben.

Sicher hat beinahe ein jeder einmal eine Situation erlebt, der man im nachhinein nur fassungslos gegenüberstand.

Mir persönlich ist eine solche Situation vor vielen Jahren, als sehr junger Mann einmal widerfahren.

Ich hatte gerade keinen PKW und so nahm ich eine Straßenbahn von der Düsseldorfer Uni, Richtung Hauptbahnhof, wo ich dann in eine andere Bahn umsteigen wollte.

Damals konnte man sein Ticket noch vorne beim Fahrer lösen. Man gab sein Ziel an und der Straßenbahnfahrer nannte den erforderlichen Betrag den man zu zahlen hatte und bekam ein Ticket, von einer Papierrolle ausgedruckt.

So tat ich es auch. Ich bezahlte mein Ticket und bekam diesen Abschnitt aus Papier. Datum, Uhrzeit, Bahnnummer und Preis standen darauf.

Am Bahnhof stieg ich in eine andere Bahn um. Das Ticket hatte ein Gültigkeit von 90 Minuten (wenn ich recht erinnere) und ich hatte noch fast eine 3/4 Stunde Zeit.

Eine Fahrscheinkontrolle wurde durchgeführt. Einer der Kontrolleure besah sich mein Ticket und stellte fest, dass dieses Ticket vom Vortag- und somit nicht mehr gültig war. Ich sollte 20 oder 40 DM  (genau weiß ich es nicht mehr) Strafe zahlen.

Die Situation war mir überaus peinlich. Alle anderen Fahrgäste starrten mich, wie einen Schwerverbrecher an. Manche tuschelten und zeigten in meine Richtung.

Noch peinlicher war, ich konnte mich nicht verteidigen, den der Kontrolleur hatte recht. Das Datum war vom Vortag. Aber soviel Geld hatte ich nicht einstecken (ich war ein junger Mann und Kreditkarten gab es damals nicht für Jedermann. Ich musste also meinen Personalausweis hergeben, damit meine Daten aufgenommen werden konnten.

Später stellte sich heraus, das der Straßenbahnfahrer, der mir das Ticket verkaufte, vergessen hatte, seine Maschine, die das Ticket gedruckt hatte, auf das aktuelle Datum umzustellen.

Doch die Situation in der Bahn bei der Kontrolle und die Blicke der anderen Fahrgäste, das Getuschel habe ich niemals vergessen. Heute meide ich, wenn es irgend geht öffentliche Verkehrsmittel und wenn ich doch einmal einen Bus benutzen muss, lese ich bei jedem Abstempeln ganz genau nach, was da auf dem Ticket draufsteht.

So oder so ähnlich geht es auch Herrn Müller immer wieder, Ob beim Discounter, im Fitnessstudio oder beim Frisör usw., Herr Müller begegnet dem alltäglichen Wahnsinn bald überall.

Hier eine kleine Kostprobe:


Herr Müller beim Dicounter und nach Daisy kommt die Polizei

Endlich wieder Wochenende, auch wenn dieser Samstag mit einem kurzen, leichtem Nieselregen begann, wollte Herr Müller sich seine Stimmung nicht trüben lassen. Mit Daisy sollte es zum Wochenendeinkauf gehen.

Rasant erhob er sich von seinem Frühstückstisch und stieß mit seinem linken Knie an eines der Tischbeine und brachte den Tisch somit aus der Balance, sodass die Kaffeetasse aus dem Kaffeeservice, welches seine Mutter ihm zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte, kurz aufhüpfte, von ihrer Untertasse rollte und den schnellen Weg zum Tischrand findend, hastig in die Tiefe stürzte.
Nicht einmal der dicke Linoleumboden konnte ihren harten Aufprall abfedern und so zersplitterte sie zu Tode.
Herr Müller war entsetzt. Da hatte er dieses Kaffeeservice über zwanzig Jahre gehegt und gepflegt und jetzt das! Nun war es unvollkommen, um eine Kaffeetasse amputiert. Mutter würde außer sich sein.

Daisy im Wohnzimmer auf ihrem Flickenteppich lümmelnd, hatte ihre großen Chihuahua-Ohren gespitzt, ohne sonderlich aufgeregt zu sein. Sie hatte gut geschlafen und diese deutsche Dogge vom Nachbarn Herrn Bartschel, im Traum ordentlich abgefertigt. Sollte ihr Möchtegern-Herrchen, dieser Armleuchter, doch heulen und zetern, Hauptsache er dachte bald an ihr Frühstück, ehe sie Tacheles bellen musste.

Herr Müller, eben noch rasant und tatendurstig, schlurfte mit Hängeschultern in seinem braunen Bademantel aus der Küche, durchs Wohnzimmer vorbei am braunen Cordsofa ins Bad.
Missmutig betrachtete er den Duschkopf, dann die Duschwanne. Er musste raus aus diesem Gefühlsloch und seine Zuversicht für diesen Samstag wiederfinden. Schließlich war Wochenende, der Kühlschrank nahezu leer, kein Brot und keine Paprikachips mehr da.
Es galt, Geschehenes als gegeben hinzunehmen und neue Ziele ins Auge zu fassen. Schließlich stand der Sonntag vor der Tür.


Seinem Schicksal ergeben, duschte er und föhnte sich, wie immer mit geschlossenen Augen, das verbliebene Haar und überhörte fürs Erste, Daisys Tachelles-Gebell nach ihrem Frühstück.

Nun mit frischer Zuversicht ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank und etwas wetterfestes heraussuchen. Mit Nieselregen war nicht zu spaßen, gerade im Sommer konnte er leicht zu einer handfesten Erkältung führen und morgen war Sonntag und er wollte keinesfalls einen Schnupfen oder Schlimmeres riskieren.
Gut in seinem Regenmantel eingemummelt, dass man nur noch sein rundes, rötliches Gesicht sehen konnte, entschied er sich spontan für die wasserfesten Boots. Denn nasse, unterkühlte Füße, so seine Erfahrung, sind aller Krankheit Anfang.

So gewandet trat er dann vor Daisy hin, die seinen Anblick nicht zu deuten wusste. Sie schaute ihn an, dann kurz aus dem Fenster und wieder zurück. Ihre Verblüffung überwand sie erst, als Herr Müller ihr den Fressnapf füllte.
Herr Müller setzte sich an seinen Frühstückstisch und schaute Daisy bei ihrem Mahl zu. Sein Blick fiel zurück auf die, nun verwaiste, Untertasse.

»Vielleicht sollte ich sie entsorgen und Mutter wird nichts bemerken«, murmelte er und machte sich verlorene Hoffnung. Sei es drum, er steckte die Untertasse in seine Manteltasche, um sie später wegzuwerfen. Was sollte er mit einer Untertasse ohne dazugehörige Tasse?


...!