Montag, 19. Februar 2018

Noch ohne Titel: Eine Leseprobe


Noch ohne Titel: Eine Leseprobe.


Übermorgen in 4 Wochen halte ich meine Lesung bei der zp Caritas in Düsseldorf-Unterrath. Das scheint sich hier langsam zur Tradition zu mausern, da ich dort jetzt im dritten Jahr Lesungen halte.

Ich werde zwei "Herr Müller" Geschichten lesen, da diese dort recht beliebt, weil lustig, sind. Da ich mich nie entscheiden kann, welche Geschichten ich lesen soll, da ich sie eben alle mag, suche ich 4-5 Titel aus und lasse mein Publikum entscheiden.

Bis zu diesem Zeitpunkt möchte ich natürlich auch das Taschenbuch fertig haben. Bei Lesungen verkauft man immer einige Buchexemplare. Natürlich wird man davon nicht reich, aber man hat als Autor die latente Gewissheit, hier und da im Bücherregal zu stehen und das ist es, was Autoren immer wollen.

Die folgende Geschichte ist beinahe fertig in ihrer Rohfassung. Natürlich wird sie noch korrigiert und lektoriert, eventuell hier und da umgeschrieben und so weiter und so fort.


Noch ohne Titel


Nächste Woche war ihr Geburtstag und er hatte noch keine Zeile geschrieben. Herr Müller erhob sich schwer von seinem Stuhl in der Küche und schlurfte zu seinem Wohnzimmerschrank. 
Irgendwo musste doch ein Schreibblock sein. Er hatte letztens noch seinem Vater herzlich zum Namenstag gratuliert. Und jetzt musste er Mutter zum Geburtstag gratulieren, wo war nur dieser verdammte Schreibblock?

Am Küchentisch kaute Herr Müller auf dem Bleistift herum, ihm wollten einfach keine passenden Worte einfallen. Er schrieb seine Gratulationen und Glückwünsche immer mit Bleistift, da er sich oft verschrieb oder ihm im Nachhinein eine bessere Formulierung einfiel, wäre er ja ein Verschwender gewesen, hätte er einen Kugelschreiber oder ähnliches Tintenwerkzeug benutzt. Er brauchte einen Pfefferminztee, damit sich sein Kreativmoment einfinden konnte.

An der Spüle kramte er suchend herum, da er ganz genau wusste, dass er den Teebeutel von gestern auf der Heizung getrocknet und hier hingelegt hatte. Unten vorm Kühlschrank schlief Chihuahua Daisy auf ihrem Flickenteppich und schmatzte im Schlaf vor sich hin. 
Ihre Ausgeglichenheit und den Frieden, den sie wohl gerade empfand, machten Herrn Müller ärgerlich. Sie schlief faul und selig und er hatte den ganzen Papierkram am Hals. Er nahm sich vor, Daisy auf Diät zu setzen.
  
Wieder am Küchentisch schmeckte ihm der Tee zu fade. Hatte er sich gestern etwa gehen lassen und den Beutel zu gierig ausgedrückt?
Im Küchenfenster spiegelte sich, vor schwarzem Hintergrund, sein runder und kahler Kopf. Und die erste Zeile fiel ihm ein und er schrieb:

Warum hast du mir sowenig Haare mitgegeben? Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, dein Sohn.

Er war sehr zufrieden mit diesem Satz doch als sein Zorn verrauchte, nahm er das Radiergummi und rubbelte, mit schlechtem Gewissen beide Sätze weg. Und auch Daisy sollte jetzt nicht mehr auf Diät.
Er machte das kleine Radio an. Typisch, natürlich keine Musik, sondern Werbung und das am Freitagabend. Ungeheuerlich!

"Ihre Briefe landen im WC? Dann brauchen Sie dringend einen PC.
Mit einem neuen PC wird Schreiben zu einem genussvollen, kreativen Prozess. Besonders geeignet bei Glückwünschen und Gratulationen aller Art.".

Die Stimme aus dem Radio klang beschwingt und motivierend als sie zu Herrn Müller weitersprach:

"Kommen Sie zu uns, wir beraten Sie gern und kompetent. Ihr Elektronik-Supermarkt, gleich um die Ecke. Kreieren Sie Ihre persönlichen Glückwünsche noch heute! Wir sind besonders preiswert aber nicht billig. Unser Wort drauf."

Herr Müller fühlte sich sofort angesprochen. Das war genau das Richtige für ihn. Er würde ja noch viele Geburtstagsglückwünsche schreiben müssen. Dann waren da ja auch noch Weihnachten, Ostern, Namenstage, Hochzeiten und wer weiß was alles noch. Es war schier unmöglich für Herrn Müller, hier noch den Überblick zu behalten. 

Daisy fühlte sich belebt und ausgeruht an diesem Samstagmorgen. In ihrem Traum hatte sie Herrn Müller, ihrem Herrchen, streng und mit Nachdruck den Zugang zum Kühlschrank verweigert. Sein Betteln und Winseln hatte sie geradewegs erheitert und amüsiert. Aus einem solchen Traum zu Erwachen bescherte ihr immer Frische und gute Laune für den Tag.

Mit Herrn Müller an der Leine verließ sie die Wohnung und steuerte geradewegs die Tür schräg gegenüber an, um Frau Maier mit Gebell herauszulocken und um ihr Kuppelspiel beginnen zu können.

»Guten Morgen kleine Daisy, dich kann man nun wirklich nicht überhören. 
Ach und der liebe Herr Müller ist auch schon brav an deiner Leine.« Der Morgenmantel von Frau Maier war ziemlich dünn und Herr Müller machte sich Sorgen um ihre Gesundheit.
»Sie werden sich erkälten Frau Maier. Mit Zugluft in Hausfluren ist nicht zu spaßen.« Herr Müller suchte die Treppenhausbeleuchtung an der Decke.
»Papperlapap Herr Müller, ich habe eine robuste Natur. Wo soll es denn heute hingehen, Sie sehen so geschäftig aus?«
»Ja wissen Sie, meine Muter hat nächste Woche Geburtstag und ich muss ihr eine Karte mit meinen besten Glückwünschen schreiben.« 
»Und beim Schreiben ist Ihnen die Tinte ausgegangen, ja?« 
Frau Maier griff sich mit der Linken ganz spielerisch ins Haar. Diese Bewegung bewirkte, dass sich ihr linker Busen anhob und Herrn Müller kleine Schweißperlen auf die hohe Stirn zauberten.
»Nein, nein ich nehme niemals einen Tintenschreiber, ich benutze immer einen Bleistift, wegen nötiger Korrekturen. Aber heute will ich mir einen Computer kaufen. Man muss schließlich mit der Zeit gehen.« 
Frau Maier verharrte in Ihrer Bewegung, da Sie noch etwas mit Herrn Müller spielen wollte.
»Das ist ja wunderbar. Ich habe auch einen Computer Herr Müller. Dann könnten wir uns ja immer schöne Fotos oder Videos schicken.«
 Frau Maiers Augenlider senkten sich und ihre Zungenspitze berührte leicht ihre Oberlippe.
»Für Fotos habe ich mein Fotoalbum und für Videos habe ich mir einen Rekorder damals bei Primakauf gekauft, leider passen dort diese kleinen silbrigen Scheiben nicht rein. Aber ich habe noch viele Kassetten mit recht modernen Filmen, von Alfred Hitchcock beispielsweise.«
Frau Maier lächelte wortlos und verschwand ohne Gruß in ihre Wohnung.