"Reich und Arm, Macht und Ohnmacht" ist der Titel einer aktuellen, satirischen Kurzgeschichte aus meinem Buch "Buch der Satiren - bitter bis schwarz", von der ich Ihnen eine kleine Kostprobe hier gebe.
Die Geschichte mag zum Schmunzeln anregen, vielleicht bei manchen auch ein Kichern hervorrufen. Doch eigentlich ist sie bitter Ernst gemeint, gerade in Zeiten in denen sich das Kapital immer öfter und unverblümter auf die großen Haufen setzt, währenddessen sich viele in unserer Gesellschaft für kleines Geld verschachern müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Ein Tipp, besuchen Sie auch "meine Bücher und eBooks- Seite".
Reich und Arm oder Macht und
Ohnmacht
»Es geht uns doch gut. Oder meinen Sie etwa nicht? Nun, dann sehen Sie sich doch einmal um in unserem Lande. Die Wirtschaft wächst stetig und die Arbeitslosen gibt es quasi nicht mehr.«
Der Mann aus der Regierungskoalition lehnte sich zufrieden zurück und wartete auf Applaus, der geradezu frenetisch kam. Er hatte eben eine große klatschende Familie.
Die Moderatorin blickte auf ihren Spickzettel, sah dann auf und lächelte optimistisch in die Runde und vergas die Kamera nicht, die sie nicht vergessen durfte da sie ihr, wenn sie nur rhythmisch hinein lächelte den Job garantierte und sie nicht arbeitslos werden ließ.
»Frau Müller, Sie putzen ja gerade schwarz bei den, sagen wir einmal Mayers. Geht es Ihnen denn auch gut?«
Frau Müller knetete ihre Hände und rang um Fassung. Sie war ganz klar ersichtlich keine ausgebildete Kameraprofin.
»Ja, nein, ich meine natürlich nein. Die Mayers zahlen mir nur 3 Euro die Stunde und eine Pause habe ich auch nicht.«
Die Frau der Oppositionspartei wurde Puterrot im Gesicht und ihre Hände zitterten vor Empörung. Das Training mit Herrn Dr. Wohlleben, ihrem persönlichen empirischen Verhaltensforscher zeigte hart erarbeitete Ergebnisse.
»Da sehen Sie, sie hören es ja. Die arme Frau muss schwarz putzen gehen und das für 3 Euro die Stunde! Wissen Sie eigentlich, was mich meine Putzfrau kostet? Die ist angemeldet und ich muss ihr sage und schreibe den vollen gesetzlichen Mindestlohn zahlen, sonst mache ich mich strafbar. Nennen Sie dass etwa soziale Gerechtigkeit?«
Die Moderatorin wurde kurz besorgt. Das stand nicht auf dem Zettel. Sie musste improvisieren, da sie richtigerweise vermutete, dass ihr Intendant mit Parteibuch ihre Sendung begutachtete.
Sie brauchte jetzt ganz schnell unbedingt etwas weichgespültes, etwas nettes oder amüsantes das die schwer aufgeregten Gemüter beruhigte. Sie entschied sich spontan für den Wirtschaftsweisen. Der war nach ihrer Erfahrung immer für lau und flau zu haben.
»Herr Prof. Dr. Dr. Ahnungslos. Sie gehören ja dem Rat der Wirtschaftsweisen an, was denken Sie, könnte man den Mindestlohn nicht bei 3 Euro deckeln, oder einfrieren, damit Frau Müller sich nicht mehr so diskriminiert fühlt und aus ihrer kriminellen Situation herauskommt und wieder ein ordentliches Mitglied unserer Gesellschaft werden kann?«
Der Wirtschaftsweise musterte Frau Müller mit scharfen und vorwurfsvollem giftigen Blick, ehe er sich bequem ins Polster zurücklehnte und seine Brille mit seiner gelben Krawatte putze. Er ließ sich Zeit, da er annahm, dass seine Meinung zählte und Gewicht hatte.
»Nun«, kam es gedehnt von ihm, »nun, man könnte der Frau Müller, natürlich nur unter gewissen sozialökonomischen Gesichtspunkten, die selbstverständlich juristisch betrachtet, weder abgesichert noch irgendwie entschuldbar wären, ausnahmsweise eine Amnestie gewähren. Aber selbstverständlich nur unter der Betrachtung eines umfassenden Schuldeingeständnisses und der sofortigen Zahlung ihrer rückständigen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen, ja man könnte den Mindestlohn, der meines Erachtens sowieso viel zu hoch ...«
Die Frau der Oppositionspartei sprang behände auf den Tisch. Die schwarzen Seidenstrümpfe, mit Strass besetzt, funkelten sehr hübsch in die Kameralinsen und dem Kameramann wurde warm, so untenrum.
»Nicht mit mir! Der Mindestlohn bleibt mir unangetastet. Das habe ich und meine Partei unseren Wählern und Wählerinnen versprochen. Dafür haben wir hart gekämpft. Und wenn irgendwer denkt, ich ließe mich einfach so zum Mundhalten nach Brüssel abschieben, dann sage ich, da haben Sie sich ganz schön geschnitten.«
Mit ihren Gucci-Pumps kickte sie flott das Wasserglas des politischen Gegners um. Da der aber wusste, dass Wasser keine Flecken auf seinen Armani-Anzug verursachen würde, blieb er gelassen und lächelte wieder ins Familien-Publikum, stellte sich tapfer und produzierte sein vielfach, vor seinem Garderobenspiegel geprobtes Überlegenheitslächeln auf sein Gesicht.
»Nun meine Liebe, ihre linke politische Gesinnung ist ja jedem hier und ganz besonders meiner Frau und meinen beiden Söhnen bekannt. Meine Familie und ich haben ihre politischen Forderungen bei unserer Reinemachefrau, ich bestehe hier auf eine korrekte und nicht diffamierende Berufsbezeichnung, sogar um 8 Cent überschritten. Das nenne ich monetäre Aufwertung sowie soziale Akzeptanz der erbrachten Dienstleistungen von Frauen die ja sonst nichts anderes können als putzen. Und vor allen Dingen meinen großen Respekt vor unseren putzenden, weiblichen Mitbürgern möchte ich hier und jetzt ganz deutlich zum Ausdruck bringen.«
Die Moderatorin folgte ihren Instinkten. Ihr Bauchgefühl befahl ihr, unauffällig ihre Cartier vom Handgelenk abzunehmen ... mehr im Buch