Der Getränkeleergutautomat
Der
Getränkeleergutautomat hatte es satt. So satt hatte er es, dass er
zu überlegen begann, wie er der Tristesse seines Daseins entkommen
konnte.
Man
stopfte in ihn hinein, was nur ging. Oben bekam er die einzelnen
Flaschen, mal große, mal kleinere, oder alte Dosen aus denen
stinkendes, abgestandenes Restbier tröpfelte. Manchmal auch Cola
oder Limonade, beides widerlich Süß an Verwesung erinnernd.
Unten,
etwas
weiter
südlich seines Bauchnabels, wuchtete man ganze Kästen mit oder ohne
Flaschen rein. Niemand nahm Rücksicht auf sein sensibles Innenleben.
Man knallte, schob und trat mit Füßen nach, als ob er sich davon
einschüchtern ließe
und den rückzahlbaren Pfandbetrag auf
dem Bon
verdoppelte.
Aber
so etwas kam bei ihm nicht in Frage. Er war so was von höchst
korrekt, dass jeder deutsche Finanzbeamte im mittleren Dienst im
Vergleich vor Neid erblassen und sich wegen Unterschlagung einer
Selbstanzeige unterzogen hätte.
Ganz
schlimm waren auch die Ungeduldigen. Die kamen meist am Monatsende,
wenn der Euro oder gar der Cent knapp wurde, mit großen blauen
Mülltüten in denen sich das aus Mülleimern gesammelte Leergut
befand. Da hatte er volle Höchstleistung zu zeigen und wehe es hakte
bei ihm, weil die Säcke hinter ihm voll waren und keine einzige
Flasche mehr aufnehmen wollten. Dann war das Gebrüll der Männer,
das Gezeter der Frauen ihm unangenehm laut.
Manche,
die augenscheinlich schon am Hungertuch nagten, konnten nicht an sich
halten und traten und schlugen auf ihn ein, das der Begriff
Körperverletzung ein zu mildes Wortgebilde zu sein schien und seine
erlittenen Qualen nicht im Mindesten widerspiegeln konnte.
Ja
nicht einmal zur Selbstverteidigung hatten ihn seine Konstrukteure in
die Lage versetzt. Nun wären Arme mit Fäusten dran, für die
Aufgabe die er zu erfüllen hatte des Guten zu viel gewesen. Doch
nicht einmal eine Spritzdüse, mit der er je nach Bedarf und
Gutdünken kaltes oder heißes Wasser oder Salzsäure hätte
versprühen können, hatte man ihm als Mittel zur Selbstverteidigung
gegönnt.
Auch
an einen Hilfeschrei von ihm hatte niemand dieser genialen
Automatenarchitekten gedacht. Kein Horn, keine noch so lächerliche
Tröte hatten sie in ihm verbaut. Nur diesen stillen Alarm zur Kasse
hin, den die Kassiererinnen aber gerne übersahen, oder überhörten,
weil er eben so still war oder sie zu faul waren, ihre Kasse zu
verlassen und nach seinem Rechten zu sehen hatten sie ihm
eingepflanzt.
Kurz,
er war zum Ertragen und Erdulden verdammt. Mit null Möglichkeiten
irgendeine, wie auch immer geartete Gegenwehr einleiten zu können.
Er
hatte es satt, so was von satt, hatte er sein Dasein. Er brauchte
dringend eine Veränderung. Doch wie sollte er eine herbeiführen,
eingeklemmt zwischen zwei Mauern aus Stein? Ohne Beine zum
Fortlaufen, ohne Räder zum Wegrollen. Ohne jede Chance auch nur für
die kleinste Fortbewegung?
So
sann der Getränkeleergutautomat tagein, tagaus ohne rechtes Resultat
über sein Entkommen nach, bis ihn eines Tages eine Erkenntnis durch
Blech und Scanner ging die ihn ganz aufgeregt werden ließ.
Er
wollte den Strichcodescanner manipulieren. Das sollte funktionieren,
wenn er bei der Leergutannahme nur kräftig rüttelte und sich
schüttelte, das der Scanner aus dem Gleichgewicht kam und kräftige
Strichcodedreher verursachte, die fehlerhafte Leergut-Gutschriften,
natürlich immer zu Ungunsten des Leergut-Rückgebers erzeugten.
So
geschah es erst an Kasse drei, die gerade als einzige geöffnet
hatte.
»Unser
Getränkeleergutautomat irrt nie, niemals. Wenn da zwei Euro steht,
so haben Sie auch nur für zwei Euro Leergut eingeworfen.« Die
Kassiererin hatte eine kräftige sonore Stimme.
»Niemals«,
keifte ein altes, krummes Männlein, »zehn Kunststoffflaschen á
fünfundzwanzig Cent, macht nach Adam Riese zweieurofünfzig
Fräulein. Der Automat hat mich um fünfzig Cent beschissen.«
Der
Filialleiter wurde gerufen.
»Niemals,
niemals verrechnet sich unser Getränkeleergutautomat. Das ist
übelste Nachrede und eine unhaltbare Unterstellung. Ich erteile
Ihnen hiermit sofortiges und strengstes Hausverbot.«
Die
robuste Kassiererin nutze diese sich bietende Chance, sich bei ihrem
Chef unbedingt beliebt zu machen, packte das Männlein am Kragen und
bugsierte es mit gezielten Tritten hinaus.
So
ging es die nächsten Tage weiter. Die robuste Kassiererin überzeugte
mit Engagement, in dem sie sich Stiefel mit Stahlkappen anschaffte
und jede Aufmüpfige und auch jeden Beschwerer wüst beschimpfte und
höchst ungalant vor die Tür beförderte.
Dem
Filialleiter ging erst ein Licht auf, als er die Grabesstille
wahrnahm, die ihm dann doch sehr ungewohnt vorkam. Nach strengem
Verhör der Kassiererin war die mögliche Ursache für die
Kundenflaute schnell und flott ausgemacht. Alle Beschwerden der
Kunden deuteten auf den Getränkeleergutautomaten als Verursacher der
Unruhen hin und dem wollte er rigoros auf den Grund gehen.
Schnell
trank er zwanzig Flaschen Bier, die je Flasche 25 Cent Pfand
einbrachten, aus um sie flugs zu Bargeld zu machen. Und tatsächlich,
es fehlten fünfzig Cent, der Getränkeleergutautomat hatte nur
achtzehn Flaschen gezählt.
Umgehend
eilte er
torkelnd in sein Büro und rief in der Firmenzentrale an, um
sich zu beschweren. Der Sachbearbeiterin in der Beschwerdeabteilung
fiel sein starker Alkoholakzent auf und ...
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