Liebe Leserinnen, liebe Leser,
heute möchte ich eine Leseprobe posten.
Eigentlich sind es zwei Leseproben. Die Erste ist der Prolog zum Buch und die Zweite st eine abgeschlossene Kurzgeschichte.
Das gesamte Buch mit ca. 270 Seiten ist bei Amazon als Taschenbuch und als Ebook und auch/oder im stationären Buchhandel wie auch im Online-Buchhandel wie Thalia etc., zu beziehen.
Hier also die Leseprobe, viel Vergnügen.
Prolog
Sie
glauben, Hausmeister zu sein ist ein Job, der nicht viel Grips und
nur etwas Handwerksgeschick erfordert? Na ja, dann möchte ich mich
Ihnen einmal vorstellen.
Mein
Name ist Tino Pieper, ich bin ein Hausmeister und ich lade Sie ein,
mir bei einem kleinen Rechenmodell zu folgen.
So
können Sie schon einmal, ganz nebenbei herausfinden wie hoch mein
persönlicher Gripslevel ist.
Ich
bin hauptverantwortlicher Hausmeister von zweiunddreißig
Häusern.
Jedes
dieser Häuser hat drei separate Hauseingänge zur jeweiligen Straße
hinaus.
Das
macht insgesamt sechsundneunzig Hauseingänge, wenn ich nicht irre.
Alle
Häuser sind architektonisch identisch, in den
neunzehnhundertachtziger Jahren gebaut worden und haben ein
Parterre, eine erste und eine zweite Etage wie auch ein Dachgeschoss,
das man auch als dritte Etage bezeichnen kann. Auf jeder
Etagenebene gibt es zwei Wohnungen, eine links und eine rechts. Bei
drei
Hauseingängen
beinhaltet jedes Haus also vierundzwanzig Wohneinheiten.
Diese
vierundzwanzig Wohneinheiten multiplizieren wir jetzt mit den
zweiunddreißig Häusern, die die Wohnanlage insgesamt umfasst und
kommen auf sage und schreibe, siebenhundertachtundsechzig Wohnungen,
die nach meiner Aufmerksamkeit verlangen. Selbstverständlich nicht
alle gleichzeitig.
Bis
hierher hat Ihr Gripsometer sicher noch keine Folgeschwierigkeiten
gehabt, oder?
Dann
bleiben Sie mal schön am Ball mit dieser kleinen Statistik.
Die
Wohneinheiten teilen sich nämlich so auf: Achtzehn Prozent werden
bewohnt von Singles, also Alleinstehenden. Zweiunddreißig
Prozent der Wohnungen sind von Paaren ohne Kinder belegt.
Die
Alleinerziehenden mit ein bis zwei Kindern belegen Acht Prozent der
Wohnungen und die Hauptgruppe, Paare mit ein bis vier Kindern
beziffern sich mit Zweiundvierzig Prozent.
So
und jetzt stellen Sie sich einmal vor, oder rechnen es
sich
ungefähr aus, mit wie vielen Menschen, unterschiedlichen
Alters, Nationalitäten, Berufen, Bildungsgraden und so weiter,
ich es tagtäglich zu tun habe. Und, halten Sie mich immer noch für
einen Glühbirneneindreher mit rudimentären intellektuellen
Eigenschaften?
Tja,
ich mache den Job als Hausmeister jetzt seit annähernd zwölf
Jahren und kann Ihnen sagen, was ich nebenher noch so alles
geworden bin.
Zuallererst
muss ich ein guter Psychologe für alle Lebenslagen sein. Ich
muss loben, beschwichtigen, schlichten, trösten, vertrösten,
abmahnen und manchmal auch zu Beisetzungen gehen und
kondolieren.
Ein
eloquenter Verkäufer bin ich auch, denn ich habe überzogene Wünsche
und unverschämte Forderungen in realitätsnahe Möglichkeiten zu
verwandeln. So gesehen, bin ich auch ein wenig ein Zauberer.
Auch
als Innenarchitekt bin ich schon mal gefragt, besonders bei den
alleinstehenden Damen, doch hier ist Vorsicht geboten. Ich gebe
niemals einen Kommentar oder Ratschlag zu Fragen, die den Schlafraum
betreffen. Bei solchen Single-Mieterinnen achte ich auch ganz
sorgfältig auf die Termingestaltung, sei es auch nur um einen
Laminatschaden zu begutachten. Niemals am frühen Vormittag und
niemals am späten Nachmittag. Am besten eignet sich hier die
Mittagszeit, denn Frauen die schlemmen, kommen nicht auf unkeusche
Gedanken. Außerdem ist es auch eine Frage der Kleiderordnung, Sie
verstehen mich schon.
Sie
sehen, meine Arbeit ist durchaus vielseitig und anspruchsvoll,
kein Tag gleicht dem anderen und von Routine, kann nicht die Rede
sein. Deswegen schreibe ich in diesem Buch von meinen Erlebnissen als
Hausmeister einer gar nicht so kleinen Wohnanlage irgendwo
in Deutschland. Alle Namen von handelnden Personen sind frei
erfunden, denn ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auch
mein Name ist ein Pseudonym, nur einige Wahrheiten darf ich Ihnen
über mich verraten.
Ich
bin sechsundvierzig Jahre alt, Junggeselle und habe mein Studium zum
Maschinenbauingenieur im vierten Semester abgebrochen, um
Binnenschiffer zu werden. Doch übewwr ein Dasein als Leichtmatrose
kam ich nicht hinaus, so wurde ich Assistent des Hausmeisters der
hiesigen Wohnanlage und beerbte seine Stelle, nachdem er in Rente
ging. Leider verstarb er sehr frühzeitig und ich beerbte ihn ein
Zweites mal und zog in seine freigewordene Wohnung, in die
Hermannstraße 13. Das war vor beinahe zwölf Jahren und lesen Sie
jetzt und hier, was ich Ihnen so alles zu erzählen habe über die
schönen Aussichten, bei diesen Nachbarschaften.
Neuer
Vorstand
Die
Woche fing ja schon einmal mit einer aufregenden Neuigkeit für
mich an. Eine Neuigkeit, deren Tragweite mir noch nicht bewusst
war.
Die
erste Neuigkeit war, dass die Wohnungsverwaltungs- und
Vermietungsgesellschaft AG, mein Arbeitgeber einen neuen Vorstand
bekommen hatte:
Dr.
Winnifried Umblicker und sein grandioses Team
So
weit so gut, ich hatte also mal eben neue Bosse bekommen.
Das
kann Vorteile, aber auch Nachteile bringen. In welche Richtung die
Reise ging, konnte man im Vorfeld ja nie wissen.
Was
mich an dieser Nachricht so pikste und nachdenklich machte, war
ein altes Sprichwort: Neue Besen kehren gut.
Nun
besteht ein Besen ja aus einem langen Stiel und einer Art Querbrett,
auf dem die Borsten zum Kehren angebracht sind.
Was
konnte also ein solch simpler Gegenstand, noch dazu aus Holz minderer
Qualität, jedenfalls kein Teak oder Kirschbaum, gefertigt bei einem
solch komplexen Unternehmen wie dem unseren schon groß verändern?
Und
was sollte ein neuer Vorstand auch groß verändern können?
Schließlich hatte er den Aufsichtsrat vor der Nase und die
Aktionäre würden ihn bei der nächsten Aktionärsversammlung schon
abstrafen, sollte er zu hitzig und scharf gekehrt haben.
Doch
als Hausmeister weiß ich eben auch einiges über die menschliche
Natur zu berichten. Und die war rational nicht immer, oder besser oft
selten zu begreifen und zu verstehen. Außerdem kam erschwerend
hinzu, dass es gerade Mitte Juli war. Die Temperaturen waren auf über
dreißig Grad geklettert und konnten somit auch für Überhitzung von
Gemütern sorgen; auch und eben in bestens klimatisierten
Vorstandsetagen, wo es jetzt um neu zu besetzende Posten und Pöstchen
ging. Die Krallen waren geschärft, die Ellbogen abgehärtet und die
Zungen spitzer. Das Gemetzel auf gehobener bis höchster Ebene
konnte beginnen. Neudeutsch auch Managerbashing genannt.
Doch
aus Gründen einer gesunden und mitarbeiterfreundlichen
Unternehmenskultur, bediente man sich lieber an weniger martialischen
Begriffen, die jeder Reinigungskraft im untersten Dienst bekannt
waren. Hygiene oder Bereinigung, waren nette, für die
Außendarstellung in den Medien Umschreibungen für das, was da
kommen sollte:
Köpfe
würden rollen.
Anton
Goldbach, langjähriger Mieter der wegen enormen Übergewichtes und
daraus resultierender, gelegentlicher Atemnot seine Wohnung nicht
mehr verlassen konnte und obendrein mein guter Freund geworden, rief
mich auf meinem Handy an.
»Tino,
hast du es gelesen?«
Keine
Frage für mich, worauf er hinaus wollte.
»Ja
Anton, ich habe es schon vor dem Zeitungsartikel gewusst. Du
kannst dir sicher vorstellen, was diese Nachricht für einen Aufruhr
bei meinen Kollegen verursachen wird.«
»Da
war die stille Post wohl mal richtig laut was?«
Sein
Atmen kam wie immer schwer und stoßweise, wenn er sich in Erregung
versetzt hatte.
»Ach
Anton, reg dich nicht auf, vielleicht verändert sich ja auch
gar nichts«, log ich mir selber in die Tasche.
Doch
Anton ließ sich nicht täuschen. Er war schon lange auf der Welt und
seine Instinkte, durch Erfahrung geschärft, gepaart mit seiner
Menschenkenntnis schlugen Alarm.
»Weißt
du, wie hoch meine Rente ist? Nein, frag lieber nicht. Die ist auf
Kante genäht und zum Amt gehen und um Wohngeld zu betteln liegt mir
nicht. Ich komme ja nicht mal die Treppe hinunter.«
Ja
ja, wusste ich. Die Rente ist sicher, wie Norbert Blüm einmal
frohlockte und wie ein Mantra in jedes Mikrofon betete, dass sich ihm
darbot. Aber über die Höhe sagte dieses Statement, damals wie heute
leider recht wenig aus.
Und
den Blüm konnte man an sein Versprechen ja nicht mehr messen, der
war längst aus dem Amt und verlebte seine sicher üppigen
Altersbezüge als ehemaliger Arbeits- und Sozialminister im eigenen
Häuschen mit Garten. Je höher die Mädchen und Jungs in der Politik
aufstiegen, so länger wurden ihre Nasen, bis sie selber deren
Spitzen nicht mehr sehen konnten. Doch rot vor Scham wurden Sie
während des stetigen Nasenwachstums nicht, höchstens etwas blass um
die langen Näschen.
Immerhin
war der Blüm noch bodenständig geblieben und war nicht dem
Lockruf des Ostens, sprich Geldes, gefolgt um nach der Politkarriere
nun erst richtig Kasse zu machen. Aber auch weit im Westen konnte man
sich die lange Nase vergolden lassen. Zur Not mit einer schönen und
gepflegten Gast-Professur und dem Konto guttuenden, lukrativen
Buchtantiemen. Solche Autobiografien ehemaliger, politischer
Berühmtheiten standen bei Buchmessen immer hoch im Kurs..
»Anton
mein Lieber, jetzt halt mal die Luft an und rege dich nicht jetzt
schon so auf. Es gibt Gesetze die verhindern, das Mieten einfach so
erhöht werden können.«
Ich
glaubte selbst nicht, was ich da sagte. Aber das Mittel der
Verdrängung half nicht nur bei einem schlechten Gewissen, es
funktionierte auch, wenn man sich selbst beruhigen musste. Nur nennt
man es dann: Den Kopf in den Sand stecken.
»Na
gut, warten wir erst einmal ab. Vielleicht wird ja wirklich nichts
passieren und ich mache mir nur unnötig Sorgen. Tschüss Tino.«
Jetzt
gab es schon zwei Köpfe im tiefen Sand. Ich ahnte, es würden noch
mehr werden und man würde die Sahara benötigen, um all die
Rüben unterzubringen.
Mir
war aber auch klar, das meine Position als Hausmeister hier im
Viertel sehr bald kompliziert werden würde, das erfuhr ich Jahr für
Jahr aufs neue, wenn die Nebenkostenabrechnungen versendet
waren.
Als
kleinster Nenner in der Unternehmenshierarchie stand ich in der
Nahrungskette ganz unten und machte mir keine Illusionen darüber,
was man mir alles an den Kopf werfen würde.
Das
Handy brummte. Madlen Jäckel. Ob die Dichtung ihrer Spüle
wieder hinüber war?
»Hallo
Madlen, wie geht es Ihnen.«
Ihre
Stimme rauchig wie immer hauchte, »ach mein lieber Tino, ich brauch
mal wieder Ihre Hilfe. Ich glaube die Dichtung der Spüle dichtet
nicht mehr so richtig. Es tropft und tropft. Und ich weiß wirklich
nicht, was ich ohne Sie machen sollte. Könnten Sie vielleicht ...,?
Ich möchte keine Überschwemmung erleben.«
Madlen
kam auf meiner Liste der Begehrlichkeiten gleich hinter Nora und
Layla. Aber hatte sie nicht kürzlich bei der Eröffnung von Kittys
Saloon mit Torsten Kröll, dem möbelpackenden Weiberheld, der mir
auch schon bei Nora zuvorgekommen war, angebändelt? Warum sollte ich
mir nicht ein paar warme Gedanken machen und mich beim Kröll
revanchieren?
»Madlen,
ich bin auf dem Weg, haben Sie auch einen Kaffee für mich?«
»Aber
ja doch mein Lieber. Auch zwei Tassen, eine vor dem Dichten und eine
danach. Geben Sie mir zehn Minuten ja? Ich muss mich noch kurz
umziehen und das tun, was Frauen eben so tun, wenn ein
attraktiver Mann zum reparieren kommt.«
Dann
mal auf zum Dichten des Lecks Tino, meine Wangen glühten und ich
dachte kurzfristig darüber nach, mein Diensthandy auszuschalten.
Aber das kam natürlich nicht infrage.
Ihr
schwarzer Rock endete sehr weit oben sodass man knapp über ihren
schwarzen halterlosen Nylons, etwas Haut der Oberschenkel sehen
konnte. Die Lippen waren knallrot und ihre Lidschatten waren dunkel,
als sie mir die Tür öffnete.
»Tino?
So schnell? Ach Gott, wie sehe ich denn nur aus? Sie müssen mich ja
für sonst was halten. Ich war ja so sehr mit Kaffee kochen
beschäftigt, dass ich doch ganz die Zeit vergessen habe. Aber bitte,
kommen Sie doch herein.«
»Soll
ich mich gleich um die Dichtung Ihrer Spüle kümmern?« Fragte ich
etwas linkisch.
Madlens
Augenaufschlag war gekonnt. Ihre Beine, die der einer
Eisschnellläuferin in nichts nachstanden, setzten sich in
Bewegung und ließen Ihre vollen Hüften leicht von links nach
rechts und wieder zurück schwingen.
»Ach
Tino, ich bin ja so froh, dass Sie hier sind. Wollen wir nicht erst
einmal im Wohnzimmer auf dem Sofa gemeinsam einen Kaffee trinken?
Küchen und ihre Spülen sind ja immer so nüchtern und so
unromantisch. Bitte machen Sie es sich doch schon mal bequem, fühlen
Sie sich ganz wie zuhause. Ich hole nur schnell unseren Kaffee.«
Mein
Hausmeister-Gewissen meldete sich, als ich mich auf das weiße
Ledersofa setzte. Aber musste ich denn immer so gewissenhaft, so
verantwortungsbewusst sein? War ich denn nicht auch nur ein
Mann, ein Mann ohne Frau dazu? Durfte ich mich denn nicht auch mal
gehenlassen? Einmal ein Vergnügen über meine Aufgaben stellen?
Madlen
kam mit zwei Tassen Kaffee zurück und stellte sie auf dem Tisch ab.
Dann ging sie zur Schrankvitrine und nahm zwei Cognacschwenker und
eine dreiviertelvolle Flasche Hennessy heraus.
»Ach
Tino, das Leben ist manchmal so ernst und freudlos, nicht wahr? Da
kann ein kleines Schlückchen nicht schaden.«
Sie
goss uns üppig vom Cognac ein, wobei sie sich so weit vorbeugte,
dass die Knöpfe ihre Bluse arg anspannte.
Sie
schlug ihre Beine übereinander und prostete mir zu. Ihre
Zungenspitze berührte leicht und wie zufällig den Rand ihres Glases
und ihr Blick traf mich tief.
»Ach
Tino, eine einsame Frau wie ich ist ja manchmal so hilflos«,
ihr knapper Rock rutschte etwas nach oben, was den Horizont über
ihren Nylons erweiterte.
»Ich
habe zufällig gehört, dass Sie neue Chefs bekommen haben. Muss ich
mir Sorgen machen? Sie als Hausmeister sitzen ja ziemlich weit oben,
mit Ihrer Verantwortung und dem Wissen um die Bedürfnisse und Nöte
der Mieter hier im Viertel.«
Das
war es, meine Libido hatte zu Ende. Ich war genauso ein Trottel wie
Torsten Kröll. Besser eine späte Erkenntnis als gar keine. Ich
stellte den Schwenker auf den Tisch.
»Madlen
ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Ich kann Ihnen keine
Informationen liefern und bewege mich genauso im Dunkel wie Sie.
Ich denke, das mit Ihrer Dichtung hat sich erledigt, danke für den
Kaffee.«
Ich
stand auf.
»Aber
Tino, so war dass doch nicht gemeint. Ich dachte wir ...?
Ihr
Mund lockte nicht mehr zum Kuss. Ihr hoher Rock wirkte jetzt
plötzlich obszön und ich sah auf einmal Layla in ihrer
Polizeiuniform vor mir stehen, ihren Zeigefinger auf meine Herzgegend
hämmern, »schalt mal dein Hirn ein, Herr Hausmeister,«
Eine Woche später.
In
meiner internen Post lag ein Briefumschlag. Adressiert an:
Tino
Pieper, Hausmeister, Persönlich.
Ich
nahm ihn in die Hand und wog ihn. Hauspost im Briefumschlag bekomme
ich selten und wenn, dann musste der Inhalt von außerordentlicher
Wichtigkeit sein. Ansonsten bekam ich meist firmeninterne Memos per
Fax oder Email in denen mir dies und das mitgeteilt wurde.
Ich
ahnte nichts Gutes und setzte mich erst einmal an meinen Schreibtisch
und nippte an meinem Kaffee.
Alles
in mir weigerte sich, den Umschlag zu öffnen. Meine Hände zitterten
und aus meiner Tasse schwappte mir Kaffee auf meinen grauen
Hausmeisterkittel. Aber ich wusste, es hat keinen Zweck, je
länger ich zögerte und das Öffnen hinausschob, desto
schlechter würde es mir gehen.
Ein
Kugelschreiber diente mir als Ersatz für einen Brieföffner.
Ratsch
und der Umschlag war geöffnet. Er enthielt mehrere DIN A 4-Seiten.
Ich nahm sie heraus.
Sehr geehrter Herr Pieper,
hiermit
teilen wir Ihnen vorsorglich schon einmal mit, dass wir
beabsichtigen, in der von Ihnen betreuten Wohnanlage,
umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen an und in den Häusern
vorzunehmen.
Diese
Maßnahmen sind im Hinblick auf Werterhaltung und Wahrnehmung
der einzelnen Immobilien notwendig.
Unser
neuer Vorstandsvorsitzender Dr. Winnifried Umblicker und sein
grandioses Team haben gerade in der von Ihnen betreuten Wohnanlage
ein Steigerungspotenzial der aktuellen Mieteinnahmen in geradezu
exorbitanter Höhe festgestellt, dessen Umsetzung und Generierung wir
uns jetzt mit vereinten Kräften widmen wollen.
Wir
wollen es für Sie einmal mit einfachen Worten erklären und lassen
aus diesem Grunde das Fachchinesisch weg:
Uns
ist durchaus bewusst, dass wir die zu erstrebenden
Mieterhöhungen mit den derzeitigen Bestandsmietern, jedenfalls
nicht ohne Streiks oder Schlimmeres zu provozieren, kaum durchsetzen
werden können. Fazit: Die müssen also weg und woanders hinziehen um
für ein gehobenes Mieterklientel Platz zu schaffen.
Also
haben Herr Dr. Winnifried Umblicker und sein grandioses Team eine
weitblickende und nachhaltige Strategie entwickelt, um die
Vorstandsgehälter, die ja nun bekanntlich bei einem
Vorstandswechsel nicht unerheblich ansteigen, auch für die
Zukunft zu sichern. Qualität hat eben ihren Preis.
Ganz
bestimmt ist Ihnen als Angestellter unseres Unternehmens daran
gelegen, Ihr bisheriges Gehalt, das wir allerdings als weit
überzogen und viel zu üppig empfinden weiter beziehen zu können
und keine Kürzungen in Kauf nehmen zu müssen.
Hier
nun unsere weitblickende und nachhaltige Strategie in kurzen
Worten:
Der
Wohnungsmarkt ist in unserer Region (also auch bei Ihnen) äußerst
angespannt. Die Mieten in Ihrer Wohnanlage sind für uns daher viel
zu niedrig bemessen und zu mickrig.
Also
müssen wir die aktuellen Mieter bei Ihnen schleunigst loswerden und
verscheuchen, da es sich ja in der Menge um Rentner, Arbeitslose und
sonst so ein Pack handelt, welche nicht in der Lage sind, unsere
bescheidenen Vorstandsgehälter durch die von ihnen zu zahlenden
Mieten in Zukunft abzusichern.
Da
wir aber keine allzu teuren Maßnahmen, wie neue Fenster und Türen
oder energiesparende Erneuerungen durchführen wollen um die
Mieten erhöhen zu können, dachten wir daran, das Mittel der
preiswerten, psychologischen Kriegsführung zu nutzen.
Wir
haben also eine eigene Malerfirma gegründet und statten diese mit
Malern von Zeitarbeitsfirmen aus. Wir wollen uns ja nicht langfristig
mit festangestellten Arbeitskräften belasten.
Im
Nachgang haben wir uns bei einem Chemieunternehmen darüber
informiert, welche Farben in der Lage sind Depressionen, allgemeines
Unwohlsein, Aggressivitäten, Massenflucht und dergleichen
negative Reaktionen hervorzurufen.
Das
Ergebnis hat uns tatsächlich überrascht. Es ist die Farbe:
Kackbraun!
Glücklicherweise
hat besagtes Chemieunternehmen noch massenhaft Kapazitäten der
Farbe Kackbraun aus den frühen dreißigerjahren auf Lager und
ist gewillt, uns diese zu einem Spottpreis zu überlassen und zu
einer ecklig minderwertigen jedoch durchaus gut brauchbaren
Fassadenfarbe aufzubereiten.
Es
wird also in Kürze ein Heer von Zeitarbeitern, die hinsichtlich
einer späteren Festanstellung fälschlicherweise optimistisch sind,
bei Ihnen in die Wohnanlage einfallen und alle Häuser in Kackbraun
anstreichen.
Halten
Sie die Jungs und Mädels, die da anstreichen kommen bei Laune und
prahlen Sie ordentlich mit Ihrem üppigen Gehalt und unseren
vorbildlichen Sozialleistungen.
Damit
tragen Sie motivierend dazu bei, dass wir deren Akkordarbeit ohne
Zusatzkosten bekommen, da sie sich dann ordentlich ins Zeugs legen
werden in der falschen Hoffnung, eine Festanstellung von uns zu
bekommen.
Zu
Ihrer Unterstützung der Motivationskampagne haben wir einen
wundervollen Preis ausgelobt.
Die
drei schnellsten Anstreicher erhalten von uns einen einwöchigen
Aufenthalt in Timbuktu bei eigener Anreise versteht sich, was
wir aber nicht tiefer kommunizieren sollten.
Wir
sind der festen Überzeugung, dass diese drei sensationellen und
einzigartigen Preise für einen zusätzlichen, ungeahnten
Motivationsschub bei den Anstreichern sorgen, aber wegen der hohen
Anreisekosten als Selbstzahler bestimmt nicht angetreten werden.
In
einer Woche ab morgen, davon gehen unsere Berechnungen aus, wird die
von Ihnen betreute Wohnanlage ganzheitlich in Kackbraun erstrahlen
und zu der von uns gewünschten und erhofften Kündigungsnwelle der
Mietverträge führen.
Unsere
Abteilung für Neumieter-Generierung ist jedenfalls jetzt schon hoch
motiviert dabei, neue und solvente Mieter für ihre/unsere Wohnanlage
zu akquirieren und vorzumerken, wenn das Kackbraun dann wieder
entfernt ist.
Machen
Sie Ihrem Beruf als Hausmeister alle Ehre.
Mit vorzüglichen Grüßen
Dr.
Winnifried Umblicker und sein grandioses Team
Nachdem
ich diesen Brief gelesen hatte, war mir schlagartig klar, in welche
Richtung es ging. Hier lagen ganz offensichtlich hirnverbrannte
Vollprofis in Sachen Kreierung einer neuen Unternehmensphilosophie
in ihren Wehen.
Das
waren keine neuen Besen, das waren wahre Kehrmaschinen. Und die, die
diese Maschine bedienen wollten, waren nicht im Besitz einer für sie
dringend notwendigen Bedienungsanleitung oder Fahrerlaubnis..
Ich
war noch dabei, ein der neuen Situation geschuldetes
Verhaltensschema für mich zu finden, als mein Handy brummelte.
»Tino
Pieper, Hausmeister«, meldete ich mich aus meinen Gedanken
erwachend.
»Ich
wünsche einen schönen Tag Herr Pieper. Hier ist Torsten am Apparat.
Wie geht es Ihnen?«
Dieser
unterwürfige Ton in der Stimme des Anrufers ekelte mich sofort
an. Ich brauchte nicht lange zu rätseln, dieser Typ war Torsten
Kröll, der möbelpackende Muskelprotz.
Doch
wieso schleimte der mich gerade so an? Was wollte er mit diesem Anruf
bezwecken?
»Aber
ja, ich erinnere mich, Herr Kröll, nicht wahr? Danke der Nachfrage,
mir geht es gut und was verschafft mir die Ehre Ihres Anrufs?«
»Och,
nur mal so Herr Hausmeister. Ich meine, ich dachte, nun ja irgendwie
sind wir doch Kollegen und ...«
»Ja
und was Herr Kröll? Wollen Sie mich zu einem munteren
Möbelrücken mit anschließender Vernissage einladen?«
Ich
hörte sein verlegenes Schweigen atmen. Dann kamen ihm zwei Ideen.
Die
Falschen wie sich schnell herausstellte, als er herumdruckste.
»Nein
Herr Hausmeister, in meiner Freizeit rücke ich keine Möbel und zur
Verni gehe ich nicht mehr zur Massage. Oder meinten Sie das
Restaurant? Ich glaube, ich habe davon schon einmal gehört.
Griechisch nicht wahr? Oder ist es ein italienisches? Na ja,
egal.«
Himmelherrgott!
Was für ein Drösel.
»Nein
nein Herr Kröll, ich meinte kein Restaurant. Aber, wo gibt denn die
Verni ihre Massagen? Ich meine, massiert die den ganzen Körper? So
richtig?«
Es
machte mir ungeheuren Spaß diesen Schlaumeier in die Ecke zu
treiben. Mal sehen, wie und womit er mich belügen würde.
»Ja,
das kann ich Ihnen sagen, die Verni die massiert einen so richtig
durch. Überall, wenn Sie verstehen. Aber die ist jetzt leider
nach Spanien, ich glaube die Stadt heißt Mailand gezogen.«
Dieser
Kröll verkaufte mir nicht nur eine Lügengeschichte, sondern
eine schlechte noch dazu, um seine wirklichen Absichten zu verbergen.
Aber
er amüsierte mich mit seiner Hilflosigkeit und ich beschloss ihn auf
eine Spitze zu treiben, auf der er nicht mehr balancieren konnte und
das Mittel dazu war pure Gier. Mit Gier ließ sich jede latent
korrupte Seele einfangen.
»Wissen Sie Herr Kröll, was mir
gerade einfällt? Sie sind ja in der Möbelbranche tätig und ich
vermute, das Sie als heller Kopf doch bestimmt auch andere
Talente, wie zum Beispiel das Malen und Anstreichen haben. Und da
denke ich, dass Sie sich unbedingt bei meiner Firma bewerben sollten.
Da rollt gerade ein ungeheures Ding an, von dem nur wenige wissen.
Und
wenn Sie jetzt ganz schnell sind, verdienen Sie sich mit einem
eigenen Malerunternehmen, das Sie sofort schleunigst gründen
sollten, dumm und dämlich. Na wie klingt das?«
Ich
bekam von ihm ein beredtes Schweigen, das mir verriet, wie es nun in
ihm arbeitete. Gier war eine Grundhaltung von Torsten Kröll, wie ich
nach einigen Erlebnissen mit ihm wusste.
»Und
wie soll ich das anfangen Herr Hausmeister?«
»Och
das ist im Grunde ganz einfach. Sie schreiben unserem
Vorstandsvorsitzenden Dr. Winnifried Umblicker einen Brief. Darin
erwähnen Sie, das Sie von einem Redakteur vom Blitzkurier erfahren
haben, dass einer aus dem grandiosen Team des Dr. Umblicker ihm, dem
Redakteur gesteckt hat, das in Kürze erhebliche Malerarbeiten hier
an unseren Häusern vorgenommen werden sollen und Sie über ein
eigenes Malerunternehmen mit jeder Menge Fassadenfarbe in Kackbraun
verfügen. Außerdem sei es Ihr Herzenswunsch, einmal im Leben das
schöne Timbuktu zu sehen und daher ganz schnell arbeiten werden um
die Reise zu gewinnen. Das war es schon Herr Kröll. Sie werden
sehen, der Auftrag ist Ihnen so gut wie sicher und Sie können sich
bald einen Porsche kaufen.«
Ich
fühlte, wie Torsten Kröll sich gedanklich in den Olymp eines
Malerimperiums emporsteigen sah und ganz nebenbei mit Nora im Porsche
nach Timbuktu brauste. Das Navi würde schon wissen, wo das ist.
Den
Samen hatte ich ausgelegt. Nun musste ich nur noch abwarten, wie sich
die Dinge entwickeln würden. Die Gier, so viel wusste ich, würde
zum Gelingen meines spontanen Plans ihren Teil dazu beitragen und
auch Torsten Kröll, dem sie zu eigen war.
Zwei
Tage später.
»Tino
Pieper am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«
»Torsten
Kröll hier. Also Herr Hausmeister, zum ersten Mal bin ich Ihnen
dankbar.«
Torsten
Kröll und dankbar?
»Wissen
Sie Herr Hausmeister, ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. Nach
Ihrem Tipp habe ich beim Blitzkurier angerufen und nach dem
Redakteur verlangt. Sie wissen schon, dem Freund von einem aus
dem grandiosen Team.«
»Und
Herr Kröll, sind Sie fündig geworden?«
»Ha,
ich sag Ihnen was. Die haben mich sofort in ihre Redaktion
eingeladen. Wie die mich empfangen haben? Als wäre ich der
König von Timbuktu persönlich.«
Meine
Neugier war geweckt.
»Weiter
Herr Kröll, was haben die gesagt?«
»Na
was schon? Erst habe ich sie zappeln lassen und nur etwas von
Kackbraun als Fassadenfarbe erwähnt. Als die mehr wissen wollten,
habe ich gesagt, dass ich ja von etwas leben müsse und da
haben sie mir eintausend Euro auf den Tisch gelegt und es wäre
meins, wenn ich Ihnen alles erzählte.«
»Und
weiter?«
»Ja
was denn? Ich habe denen das erzählt, was Sie mir gesagt haben und
das ich jetzt eine Malerfirma gründen werde und den Auftrag von Dr.
Umblicker so gut wie in der Tasche habe. Dann haben die sich bei mir
bedankt und mir mit meiner Firma viel Glück gewünscht. Außerdem
schicken sie mir ein Gratis-Exemplar vom Blitz-Kurier nach Hause.«
Einen
Tag später.
Ich
fiel um sechs Uhr aus dem Bett, rannte im Spurt ins Bad und von da
aus zu Julio und seinem Kiosk. Der Blitzkurier erwartete mich mit der
Schlagzeile auf der Titelseite in blutroten Farben:
Alle
Wohnhäuser hier im Viertel sollen
Kackbraun gestrichen werden! Schickt Dr. Umblicker seine Mieter nach
Timbuktu?
Zwei
Tage später.
Ich
komme in mein Büro. Es ist frühmorgens an einem regengrauen
Tag. Ich öffne meinen Briefkasten und es liegt neben den
üblichen Werbeflyern ein Brief von der Wohnungsverwaltung drin.
Neugierig
setzte ich mich an meinen Schreibtisch und ritzte den Umschlag mit
meinem Kugelschreiber auf, nahm das eng beschriebene Blatt
Papier heraus und las:
Lieber
Herr Hausmeister Tino Pieper,
leider
wurde unser Vorstandsvorsitzender Dr. Winnifried Umblicker von
einem Whistleblower aus seinem grandiosen Team, verraten und
verkauft. Da sich keiner freiwillig zu dieser frevelhaften Tat
bekannte, wurde das gesamte Team entlassen.
Um
einen eventuellen, höchstmöglichen Schaden für unser Unternehmen,
Ihrem Arbeitgeber, zu vermeiden, hat Dr. Umblicker ein völlig
neues Team zusammengestellt. Es ist ein wirklich brilliantes Team, an
das wir außergewöhnliche Erwartungen stellen.
Dr.
Umblicker und sein brilliantes Team möchten folgende
Gegendarstellung zu lügenhaften Berichten und widerlichsten
Behauptungen der hiesigen Pressemedien abgeben:
Es
wurde niemals daran gedacht, die Häuser in dem von Ihnen betreuten
Viertel mit der Fassadenfarbe Kackbraun zu versehen um unsere
treuen, langjährigen und geliebten Mieter zu vergraulen.
Wo
die sagenumwobene Stadt Timbuktu liegt, ist niemandem hier im Haus
bekannt und somit wurden auch keine Reisen dorthin für
irgendwelche Anstreicher, die von Leiharbeitsfirmen kommen sollten
ausgelobt.
Wir,
das heißt, Dr. Winnifried Umblicker und sein brillantes Team (nicht
zu verwechseln, mit dem ehemals grandiosem Team), sind mit den
jetzigen, wirtschaftlichen Gegebenheiten auf das Freudigste im
Einklang.
Wir
legen höchsten Wert auf nachhaltige Seriösität im Verhältnis zu
unseren Mietern und würden niemals, ganz ehrlich niemals, auch
nur einen einzigen von ihnen nach Timbuktu expedieren wollen,
nur weil er angeblich eine zu kleine Miete bezahlt.
Nach
Offenlegung und Durchsicht sämtlicher Vorstandsgehälter, sind
wir zu der Einsicht gelangt, das diese höchst angemessen erscheinen
und keiner Erhöhung bedürfen. Im Gegenteil, wir vom Vorstand,
vertreten durch Dr. Winnifried Umblicker und sein brillantes
Team sind geprägt von Bescheidenheit und Demut, was bedeutet,
dass uns das dreißig- bis fünfzigfache je nach Vorstandsposition,
Ihres Jahresgehaltes als Hausmeister völlig genügt und wir zur
Ernährung unserer Familien keine Erhöhung unserer Bezüge
benötigen. Es wird hart werden, aber wir schaffen das mit eisernem
Willen gegen jeden inneren Widerstand.
Also
Tino, lieber Junge. Es bleibt alles beim Alten und wir verlassen uns
auf Sie, wie auch Sie sich von uns verlassen fühlen dürfen.
Glück
auf!
Ihr
Dr. Winnifried Umblicker und sein brillantes Team
Ich
legte den Brief beiseite, rieb mir die Schläfen und sinnierte
darüber nach, was ein unterbezahlter Hausmeister und ein naiver,
muskelprotzender Möbelpacker mit einer kleinen Indiskretion
doch zum Guten wenden konnten. Meine Mieter waren gerettet und
wussten nicht von wem. Von mir würden sie es nicht erfahren.
Vielleicht vom Kröll? Immerhin verdankte er mir eintausend
Euro.