Samstag, 12. Oktober 2019

Leseprobe: Herr Müller wird zum Churchill und Daisy bekommt einen Korb

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist eine Selbstverständlichkeit für jede(n) Autor(in) sein/ihr neuestes Buch einem Publikum vorzustellen. Schließlich will ja auch ein Sänger gehört werden und Autoren eben nicht für die Schublade schreiben.
Oft werde ich gefragt, was man als Autor denn so verdient. Manche denken, meine Bücher verkaufen sich wie geschnitten Brot. Andere wiederum haben für meine Arbeit nur ein müdes Lächeln übrig und bezeichnen dass, was ich tue als "kleines Hobby".
Letzteres ärgert mich dann schon ein wenig, denn es ist eine rundum Arbeit. Mit dem Schreiben alleine ist es ja nicht getan. Als selbstverlegender Autor muss ich mich um Korrekturen ebenso kümmern, wie um das Buchcover und schließlich um die Bekanntmachung.
Daher ist jedes Buch welches ich bis jetzt geschrieben habe immer etwas besonderes für mich, da ich weiß wie viel Arbeit dahinter steckte.

Daher möchte ich euch heute einmal eine Leseprobe aus einem älteren Werk geben (älter heißt nicht schlechter!). Wer mit mir Kontakt aufnehmen möchte, kann dies unten im Kommentarfeld tun oder mich direkt per eMail anschreiben: michael.uhlworm@web.de. Ich freue mich über jede Zuschrift Bitte gebt als Betreff "Dein Taschenbuch" ein, damit ich eure Mail zuordnen kann..

Wer dieses Buch käuflich erwerben möchte, aber aus persönlichen Gründen nicht bei AMAZON kaufen mag, der kann das Buch auch ganz normal im Buchhandel bestellen und für unter 10 EUR erwerben. Doch zur Vereinfachung hier die Links zum bestellen:

Bei Amazon (unterstrichenen Link klicken) oder ganz unten, am Ende des Textes bei Bookmundo. Wer seinen Buchhändler unterstützen möchte, der bestellt es direkt in der Buchhandlung.



Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn: 10 vergnügliche Geschichten um einen liebenswerten LoserHerr Müller wird zum Churchill und 
Daisy bekommt einen Korb




In der Morgenzeitung stieß Herr Müller auf einen Arti­kel, der eine schwere Besorgnis in ihm auslöste: Inflati­on frisst die Ersparnisse auf, las er die große, tiefrote Überschrift auf der Titelseite.
Jedes Jahr, las er weiter, würde die Geldentwertung zwei bis drei Prozent betragen. Und da es so gut wie keine Zinsen mehr auf das Ersparte gab, lohne es sich auch nicht mehr, sein Geld auf ein Sparbuch zu geben. Herr Müller sah sich schon unweigerlich in einem Ar­menhaus oder Schlimmerem stranden. Konnte er dort­hin überhaupt seine liebe, kleine Daisy mitnehmen? Vielleicht standen dort ja gerade so exotische Rassen wie Chihuahuas auf einer schwarzen Liste, immerhin war sie Ausländerin?
Die lag derweil auf ihrem Flickenteppich und kaute genüsslich am getrockneten Entenfleisch. Sie brauchte sich um Geld ja keine Sorgen zu machen, schließlich hatte ja immer noch er, ihr Herrchen, Herr Müller, für ihr Wohlergehen aufzukommen.
Er las den Artikel in der Hoffnung weiter, eine Lösung für sein neues, plötzlich aufgetauchtes Problem zu fin­den. Und tatsächlich riet ein renommierter Wirtschafts­professor am Ende des Artikels, zum Kauf von Immobi­lien, Gold oder Antiquitäten, um dieser bösen Inflationsschere zu begegnen.
Erleichtert seufzte Herr Müller auf und schlug gleich im Immobilienteil der Zeitung nach, um sich etwas pas­sendes auszusuchen. Bei Primakauf, wo er ansonsten seine täglichen Einkäufe tätigte, hatte er noch keine Im­mobilien gesehen, dessen war er sicher. Außerdem hatte er dort immer noch Hausverbot, was ein schnelles Nachforschen in dieser Sache unmöglich machte.
Doch ganz schnell bemerkte Herr Müller, dass eine Immobi­lie für ihn nicht infrage kam, gingen die Kaufpreise doch bei einhunderttausend für eine kleine Eigentums­wohnung los und an einem ganzen Haus war gar nicht erst zu denken.
Bei den Edelmetallen ging es ihm hier ganz ähnlich bis noch schlimmer, konnte er doch mit dem Kauderwelsch der Börsenseite und den Zahlentabellen, die für Profis gedacht waren, überhaupt nichts anfangen.
Einer spontanen Eingebung folgend drehte er sich um und besah sich sein braunes Cordsofa, das in seinem Wohnzimmer seit beinahe zwanzig Jah­ren stand. Ob es schon eine echte Antiquität war? Nein, eher nicht, wenn es hundert Jahre alt wäre, dann vielleicht. Er blätterte weiter, bis er bei der Seite mit den Todesan­zeigen ankam und dort fiel ihm ein kleines Inserat ins Auge:
Kaufe Antiquitäten zu Höchstpreisen und Verkaufe An­tiquitäten zu Tiefstpreisen. Der faire Antiquitätenhan­del. Auch an Sonntagen geöffnet.
Das Antiquitätengeschäft war nicht so weit entfernt und Herr Müller war auch schon ein paar mal daran vorbei spaziert, dachte aber, es handele sich um einen Ramsch­laden für alten ausgedienten Trödel, den keiner mehr haben wollte.
Jetzt wusste er es besser und er war froh darüber, diese Entdeckung gemacht zu haben, womit er jetzt sein er­spartes Geld vor dem Verfall zu retten hoffte.
Mit Daisy an der Leine brach er auf und betrat den Hausflur.
An der Wohnungstür von Frau Maier blieb Daisy be­herzt stehen und meldete sich durch lautes bellen an. Die Tür schwang auf und Frau Maier erschien.
»Ja guten Tag meine kleine Daisy. Ach Herr Müller, so früh schon unterwegs?«
Der frühen Uhrzeit trotzend trug Frau Maier ein schwarzes Nichts von Negligee, das den Mann in Herrn Müller hätte erwecken können, wäre da nicht die große Besorgnis gewesen, die Herrn Müller zu sofortigem Handeln drängte.
»Tut mir leid Frau Maier, aber gerade jetzt habe ich gar keine Zeit. Eine wichtige Erledigung, die keinen Auf­schub duldet. Sie verstehen?«
Alles an Herrn Müller wirkte auf Frau Maier hastig. Kein Zweifel für sie, er war einer Panikattacke nahe.
»Nur so viel Frau Maier, kaufen Sie sofort Immobilien, Gold oder, noch besser, Antiquitäten, wenn Ihnen Ihr Leben ..., was sag ich? Ihr Geld etwas wert ist.« Er zog kräftig an der Leine, aber Daisy stemmte sich mit ganzer Kraft dagegen, sie woll­te lieber noch etwas zwischen den beiden herumkup­peln.
»Bitte Daisy, komm jetzt. Unsere Existenz ist auf das Höchste gefährdet. Wir müssen umgehend handeln.« Daisy ließ sich erweichen, schließlich konnte sie ihre Kuppelei später immer noch versuchen.
Frau Maier war, ganz weiblich konsterniert ob dieser Ignoranz ihrer Reize und schaute beiden fassungslos hinterher, wie sie die Treppe nach unten stürmten. End­lich auf dem Gehweg vorm Haus angekommen, ließ Herr Müller keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, sein und Daisys Dasein zu sichern, und schlug einen flotten Gang an. Daisy tippelte ebenso flott nebenher, ihrerseits entschlossen ihrem Trottel-Herrchen bei sei­nem nächsten, persönlichen Unglück oder Desaster beizuwohnen.
Da kam ihnen auch schon Herr Bartschel mit seiner Dogge, dem Rüpel entgegen.
»Ja sagen Sie mal Herr Müller, mit welchem Tempo sind Sie denn heute unterwegs?« Rüpel knurrte, Daisy pupste vehemen.
»Nur ein Tipp von mir Herr Bartschel. Kaufen Sie schnellstens Immobilien, Gold oder Antiquitäten, oder Sie werden im Armenhaus landen.«
Herr Müller unter­ließ es nicht, mit seinem Zeigefinger mahnend und ge­wichtig nach oben zum Himmel zu zeigen.
»Och Herr Müller, Immobilien hab ich schon. Was den­ken Sie, wie meine Küche verdübelt ist, die kriegt kei­ner weg. Und Gold habe ich mehr als genug. Mein Zahnarzt muss eine eigene Goldmine haben, was der mir schon so alles in die Zähne gekleistert hat und Anti­quitäten ...? Na ja meine Frau ist so jung auch nicht mehr.« Herr Bartschel fühlte sich Herrn Müller, wie im­mer, haushoch überlegen und seine Scherze sollten das auch zum Ausdruck bringen.
Seine Dogge wähnte sich Daisy auch irgendwie überle­gen, was sie aber nicht ganz genau wusste, weil sie zu blöde war und Daisy zu clever und flink, sich von ihr schnappen zu lassen.
»Sie werden ja sehen Herr Bartschel. Sagen Sie später bloß nicht ich hätte Sie nicht gewarnt, wenn Sie bei mir um einen Teller Suppe betteln.« Hastig eilte Herr Mül­ler weiter, er hatte keine Zeit zu verlieren, denn jede Minute kostete ihn Geld, wie er jetzt wusste und ein Jahr war kurz.
Er versuchte zu rechnen, die Inflationsrate lag also zwi­schen zwei und drei Prozent. Ein Jahr hatte dreihundert­fünfundsechzig Tage. Wie viel Geld hatte er bis jetzt in der Zwischenzeit schon verloren, als er diese fürchterli­che Meldung gelesen hatte?
Kurz überlegte er, dass wenn er letztens bei Kaufgut nicht so fürchterlich viele unumtauschbare Sonderangebote gekauft hätte, er sich vielleicht eine klitzekleine Wohnung hätte leisten können. Zum Vermieten, auch kleinster Bara­cken, fanden sich immer Studenten oder sonstige arme Schlucker, denen er die Prozentrechnung nicht zutraute. Je­des Jahr fünf Prozent Mieterhöhung würden sein per­sönliches Inflationsdesaster mehr als ausgleichen.
Es war müßig hierüber weitere Gedanken zu ver­schwenden, alles was er bei Kaufgut erstanden hatte, war eindeutig nicht immobil, wieso sonst die vielen Einkaufstüten und der Hauschauffeur? Und etwas gol­denes war auch nicht dabei. Sicher waren seine massi­ven Einkäufe dort nicht der letzte Schrei, sonst wären sie ja wohl sicher keine Sonderangebote gewesen, aber sie als Antiquitäten zu bezeichnen, ging Herrn Müller dann doch zu weit.
Noch drei letzte Häuserblocks, dann müsste er am Anti­quitätengeschäft sein, erinnerte er sich.
Da sah er auch schon Madame Janine, als er um die nächste Ecke bog. Wie immer, schritt sie massiv und sehr lasziv auf ihn zu. Ihm fiel ein, dass er immer noch keine eigenen Visi­tenkarten hatte. Er nahm sich vor dies zu ändern, wenn er erst einmal Eigentümer einer Antiquität wäre. Ma­dame Janine hatte eigene Visitenkarten, sogar goldfar­bene. Ob sie denn auch über Antiquitäten verfügte?
Sie blieb vor ihm, mit ihrer Pudeltussi stehen und somit hatte Herr Müller die Gelegenheit, diese Frage umge­hend zu klären.
Nebenbei konnte er sie vielleicht, mit seinem Neuen, überlebensnotwendigem Wissen beein­drucken. Der Ritter in ihm war erweckt.
»Ja guten Tag Madame Janine. Sind Sie auch schon da­bei, Ihr Hab und Gut vor der, wie soll ich sagen, um sich greifenden Gefahr, abzusichern?« Herr Müller streckte seine Einszweiundsiebzig stramm und gewichtig dem Himmel entgegen.
»Ich habe noch nichts davon gehört Herr Müller, dass hier in absehbarer Zeit ein Krieg stattfinden sollte. Wis­sen Sie etwa mehr als ich? Habe ich irgendetwas nicht mitbe­kommen?« Gab sie sich unwissend.
Madame Janine musterte ihn kühl von oben herab und hielt ihre Pudel­tussi straff an der Leine.
Herr Müller kratzte sein Kinn.
»Nun von Krieg kann nicht unbedingt die Rede sein, aber diese galoppierende Inflation, wissen Sie? Die hat es wirklich in sich, das kann ich Ihnen sagen. Ich jeden­falls bin gerade unterwegs, um zu retten, was zu retten ist.«
Herr Müller wollte von sich aus nicht zu viel ver­raten. Sollte sie ihn doch fragen, schließlich wusste er ja um die Gefahr, die auf sie lauerte und nur er hatte die Lösung, den Ausweg aus dieser Misere parat.
Den Zeitungsartikel mit dem Professorenrat unterschlug er ihr unreinen Gewissens.
Herr Müller sah sich auf dem besten Wege, ihr Held zu werden. Er wollte Madame Janine unbedingt vor der vollkommenen Verarmung bewahren und beschützen. »Wie ich aus sicherer Quelle weiß, Madame Janine, können nur Immobilien, Gold oder Antiquitäten Sie vor der völligen Geldentwertung bewahren. Ich persönlich habe mich für den Kauf einer Antiquität entschieden, das scheint mir die billigste Lösung.« Herr Müller war sich seiner wirtschaftlichen Kompetenz bisher nicht be­wusst gewesen, umso erfreuter war er, als sich in Ma­dame Janines dunklen Augen ein heller Funken von Aufmerksamkeit zeigte.
»Nun Herr Müller, Immobilien kommen für mich schon berufsbedingt nicht infrage, ich muss ja in Bewegung bleiben und Antiquitäten wären mir zu sehr von gestern, ich bin eine moderne Frau. Na ja und Gold lasse ich mir schon schenken, immerhin erwarte ich, neben dem übli­chen Tarif, etwas Dankbarkeit für meine diskrete Ver­schwiegenheit. Das werden Sie doch verstehen.«
Nichts, aber auch gar nichts verstand Herr Müller, was ihn doch sehr irritierte, hatte er doch gerade eben sein umfangreiches Wissen über monetäre Zusammenhänge und komplizierte, geldpolitische Strategien zum Besten gegeben.
Daisy zog an der Leine, sie wollte jetzt ihrerseits nicht mehr immobil sein und sich von dieser parfümierten Pudel­tussi entfernen.
»Wie Sie meinen Madame Janine. Ich muss mich emp­fehlen? Dringende geschäftliche Transaktionen müssen getätigt werden.«
Er hatte getan was er konnte, mehr war da nicht zu machen bei Madame Janine.
Sollten seine Visitenkarten auch goldfarben sein oder doch lieber etwas bescheidener, fragte er sich beim Weiterhasten?
Besser wären vielleicht welche, die un­auffälliger wirkten, er wollte auf keinen Fall, dass sich demnächst irgendwelche verarmte Bittsteller bei ihm einfanden. Nur bei Madame Janine würde er eventuell eine Ausnahme machen, aber sie schien ja über Goldre­serven zu verfügen.
Wie schade, gestand er sich ein, mit Gold konnte er ihr nicht dienen.
Angekommen!
Unschlüssig stand Herr Müller mit Daisy an der Leine, vor dem großen Schaufenster. Wie er die ausgestellten und sicherlich äußerst wertvollen Antiquitäten ehedem nur als nutzlosen Tand befunden hatte, konnte er sich nicht er­klären.
Wie sagte seine Mutter doch immer: Antiquitä­ten sind nicht bei armen Leuten zu finden. Wenn sie doch arm waren, saßen sie auf Schätzen, von denen sie nichts wussten, so dumm waren sie.
Recht hatte Mutter!
Geld hatte für Herrn Müller an Reiz verloren, er wollte nur noch innovativ und krisenfest in seine Zukunft in­vestieren.
Er trat ein.
»Guten Tag der Herr. Womit kann ich dienen?« Begrüß­te ihn der Inhaber. Herr Müller besah sich diesen hage­ren, kauzig wirkenden Mann und konnte es beinahe nicht glauben, dass es noch kleinere Männer, mit noch weniger Haaren auf dem Kopf gab als ihn selbst.
Herr Müller schmiss sich in die Brust und nahm Daisy hart an die Leine, dass diese kurz bellte, um zu protes­tieren.
»Ich möchte Antiquitäten kaufen. Bin ich in dieser Sa­che hier richtig bei Ihnen?«
Der kleine, kauzige Mann, der bestimmt schon an die achtzig sein musste und somit gut zu seinen Antiquitäten pass­te, faltete seine Hände vor der schmächtigen Brust und machte einen kleinen Diener.
»Sie sind so richtig bei mir, wie Sie richtiger nicht sein können mein Herr. Ich kaufe zu Tiefstpreisen und ver­kaufe zu Höchstpreisen.« Der alte Kauz zeigte mit aus­gestrecktem Arm um sich.
Herr Müllers Unterbewusstsein sendete ihm deutliche Signale, ir­gendetwas falsch verstanden zu haben. Doch sein Be­wusstsein ignorierte tiefer sitzende Irritationen, da es gerade mit anderen Sorgen beschäftigt war.
»Darf ich den Grund erfahren, warum Sie sich für Anti­quitäten interessieren? Aus Liebhaberei vielleicht oder aus Gründen, die mir noch schleierhaft sind?« Der In­haber öffnete seinen Mund zum Lächeln und Herr Mül­ler entdeckte einige prächtig funkelnde Goldzähne. Herr Müllers Verstand kam auch Hochtouren. Gold im Mund und Antiquitäten im Laden, ob dieses Haus hier auch dem Inhaber gehörte? Er wollte keineswegs zu aufdringliche Fragen stellen und verlegte sich augen­blicklich auf seine eigenen strategischen Überlegungen. »Nun Sie müssen wissen«, begann Herr Müller sehr zögerlich und zaghaft, »durch wichtige Veränderungen in der Welt der Hochfi­nanz, sehe ich mich gezwungen, mein Kapital, also meine Ersparnisse, umzuschichten. Das werden Sie als Geschäftsmann doch verstehen?«
»Ich verstehe Sie sehr gut mein Herr. Sie möchten Anti­quitäten in ihr Anlageportfolio aufnehmen?«
Golden blitzte es aus dem sprechenden Mund. Was ein Portfolio war und was das, wie auch immer, mit Anlagen zu tun hatte, wusste Herr Müller nicht. Da aber alles sehr pro­fessionell klang, wollte er dem Inhaber vertrauen.
»Ja nun, was können Sie mir denn empfehlen? Ich bin Neukunde und benötige, gewissermaßen, Beratung.«
Herr Müller gab sich vertrauensvoll und leutselig, welche Gefahren konnten ihm bei diesem kleinen alten Mann mit Goldzähnen und Antiquitäten schon begegnen?
»Sehr gern mein Herr, fangen wir doch bei diesem wunderschönen Chesterfield Sofa an.« Der Inhaber zeigte stolz auf ein brüchiges, schmutzigbraunes Leder­sofa, dem obendrein zwei Standfüße fehlten.
Herr Müller bekam einen Schreck und dachte unwill­kürlich an sein bequemes Cordsofa zuhause im Wohn­zimmer.
»Stellen Sie sich vor, auf diesem Sofa sitzend befehligte Winston Churchill seine Truppen und stritt mit Roose­velt über militärischen Nachschub. Sie müssen zuge­ben, mehr geschichtsträchtige Antiquität geht kaum.«
Herr Müller stellte sich Winston Churchill mit dicker Zigarre auf diesem Ungetüm sitzend vor. Der kleine alte Mann ließ es aus seinem Mund wieder golden blit­zen.
»Wussten Sie, dass Winston Churchill nur Einmeter­dreiundsiebzig groß war?« Jetzt blitzten auch die klei­nen Äuglein des Inhabers.
Herr Müller war sprachlos. Der große Winston Churchill war nur einen lächerlichen Zentimeter größer als er selbst gewesen? Herr Müller war jetzt von sich selbst schwer beeindruckt.
Atemlos begann er, »was soll die Churchill Couch denn kosten? Und wird sie im Wert noch steigen? Ich meine, wird sie mir gegen die Inflation helfen? Kann man dar­auf auch noch bequem sitzen?« Er überlegte schnell, ob er mit dem Zigarrenrauchen anfangen sollte.
Der jetzt listig gewordene Inhaber besah sich Herrn Müller genauer und überlegte bis wohin er gehen konn­te. Sein innerer Taxameter ließ auch Daisy nicht außer Betracht. Immerhin ein echter Chihuahua und da­mit reinrassig und sicher nicht billig. Er kam zu dem Schluss, erst einmal hoch zu pokern, »sehen Sie hier diese tiefe Kuhle im Sitz? Da hat Churchill immer ge­sessen. Er war ja ein gewichtiger Mann. Aber selbstver­ständlich sind solche Antiquitäten mit Geschichte bes­tens dazu geeignet dem Charakter der Geldentwertung, den eine Inflation ja mit sich bringt, entgegenzuwirken. Und bedenken Sie erst einmal den unerhörten, ideellen Wert eines solchen Schatzes. Mit fünftausend Euro wä­ren Sie bestens bedient.« Herrn Müllers Kinnlade fiel in Richtung Süden. Mit so viel Geld hatte er nicht gerech­net und schon gar nicht auf der hohen Kante.
»Na so was, ich dachte doch schon an etwas Günstige­res. Außerdem, die Couch ist ja auch sehr groß und ob ich dafür genug Platz zuhause habe? Und die hohen Transport­kosten erst?« Der Antiquitätenhändler überdachte flugs seine Verkaufstaktik.
»Sehen Sie hier, mein Herr dieser Humidor aus Holz. Hierin hat Churchill seine Romeo y Julieta No.2 gela­gert, echte kubanische Zigarren, müssen Sie wissen. Mit tiefen Kratz- und Bissspuren, sehen Sie doch. Win­ston war geradezu berüchtigt für seine Ungeduld.«
»Und jetzt stellen Sie sich einmal vor«, fuhr der Inha­ber fort, »Sie sitzen auf diesem antiken Sofa, mit dem Humidor auf dem Schoß. Ganz wie der gute Winston. Und beides zusammen für nur dreitausend Euro. Über die Transportfrage lässt sich reden.«
Daisy mittlerweile müde, suchte ein Plätzchen um et­was zu ruhen. Neben dem antiken Sofa stand ein ausge­leierter und schiefer Bastkorb mit einer alten Decke drin. Lustlos schnüffelte Daisy an der Decke, die ziem­lich muffig roch. Genau das Richtige befand Daisy und rollte sich hinein, um zu dösen.
Der Inflation zu entkommen war ganz schön teuer, so­gar mit Antiquitäten, stellte Herr Müller fest. Auf der anderen Seite konnte er sich der geschichtlichen Tiefe nicht entziehen und hatte urplötzlich eine Vision, wie Madame Janine vor seinem neuen Thron niederkniete und ihm ergeben Feuer für seine dicke Zigarre reichte. Ihm wurde wohlig und er suchte ein Telefon um umge­hend Roosevelt anzurufen, wo auch immer der sein mochte.
Der Inhaber entdeckte Daisys süßen Schlummer und riss Herrn Müller aus seiner Vision.
»Teile und herrsche heißt es bei wahren Herrschern und wie nur könnten Sie schon standesgemäßer Repräsentieren als mit ihrem Chihua­hua in einem Hundekorb in der schon die kleinen Hündchen von Katharina der Großen ihr Schläfchen hielten. Und Sie auf der Churchill Couch mit Humidor und Zigarre. Alles zusammen für einen Tausender wenn Sie in bar zahlen. Der Transport ist kostenlos.«
Endlich wieder zuhause, saß Herr Müller auf seinem braunen Cordsofa, das keinen geschichtlichen Hinter­grund aufweisen konnte und sann über seine getätigten Transaktionen nach. Die Churchill Couch und der Hu­midor sollten erst einmal im Keller eingelagert werden. Er wollte nicht durch unbeabsichtigte Nutzung deren Wertzuwachs gefährden. Allein der Zarin Hundekörb­chen wollte er Daisy nicht entreißen und hatte es gleich mitgenommen. Es ersetzte gerade ihren Flickenteppich. Behaglich lehnte er sich auf seiner Couch zurück und öffnete die Morgenpost vom Vortag, die nur aus einem Werbebrief bestand und fand einen Prospekt von Kauf­gut vor.
Auf der ersten Seite stand in großen Lettern:
Heute im Sonderangebot: Hundekörbchen nur 14,95!
Er besah sich das Foto des beworbenen Hundekorbes und wunderte sich, dass man schon vor weit über zweihun­dert Jahren so moderne Hundekörbchen gebaut hatte.

Michael Uhlworm
Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn
Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn. Der liebenswerte Loser Herr Müller und Daisy erleben humorvolle Abenteuer in ihrem wahnwitzigen Alltag, beim Shopping, Frisör, im Fitnessstudio, bei einer Vorladung, mit Antiquitäten und mehr..
€9,90 Softcover



Und nach dem Lesen gibt es etwas zur Entspannung.