Dienstag, 15. Oktober 2019

Leseprobe: Ferdinand und die Konkurrenz

Liebe Leserinnen und Leser,

kennt ihr Ferdinand? Nun Ferdinand ist ein richtiges Ekel und seine Frau Gerda hat einiges mit ihm auszuhalten.
Ich wollte einmal über einen richtig fiesen und unerträglichen Typen schreiben. Wahre Feministinnen werden Schnappatmung beim lesen bekommen und ich weise vorsorglich darauf hin, dass das Wesen des Ferdinands nicht dem des Autors, also meinem entspricht. Ich bin hier eher wie ein Schauspieler, der einmal einen Kriminellen, vielleicht sogar einen Mörder spielen möchte.
Also, viel Spaß mit Ferdinand wünscht euch Michael Uhlworm.



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Allerlei kurze und längere Geschichten Band1: lustiges,besinnliches und sarkastisches




Ferdinand und die Konkurrenz

An diesem Samstag, der vielversprechend sonnig begann, beschloss Ferdinand, seinen Rasen auf englisch zu trimmen.
Er stand auf der Terrasse unter seinem Sonnenschirm, der die Vereinsfarbe, ein gemäßigtes, mittleres Lodengrün, seines Schützenvereins hatte. Er schaute nach rechts, auf Wegners Rasen, den es zu übertrumpfen galt.
Wegner dieser Querulant und eingebildete Exfinanzbeamte, war sein erbitterter Konkurrent in Sachen Rasenpflege. Sein Job würde nicht leicht werden grübelte Ferdinand, aber er fühlte sich mit seinem Benzinrasenmäher für die Schlacht gewappnet.
Hübner, sein Nachbar zur linken Seite, war ein Öko mit Faible für weiße und gelbe Gänseblümchen. Pfui Teufel, was für ein Chaosrasen! Nein, es war ganz klar, Wegner war sein Gegner, er war der Feind.
»Gerda«, rief er nach hinten, während er sich die Hemdsärmel hochkrempelte, »Verdammt Gerda, kommst du endlich!«
Gerda kam außer Atem angehastet. Sie hatte sich gerade eben noch im Bad mit Lippenstift ein sattes Rot aufgetragen, um hübsch für ihren Ferdi zu sein.
»Ja Ferdi, da bin ich schon, was gibt es denn?«
»Betanke den Rasenmäher, gleich geht es los.«
»Ja aber Ferdi, du bist doch sonst so sparsam, so teuer wie heutzutage das Benzin ist. Nimm doch meinen, der braucht kein Benzin und auch keinen Strom.«
Ferdinand sah seine Frau an, wie er es immer tat, wenn er gerade an ihrem Verstand zweifelte, was sehr oft vorkam.
»Zwei Zentimeter, Gerda. Ist dir das klar?« Ferdinand unterstrich mit Daumen und Zeigefinger die Rasenhöhe, die er meinte.
Gerda wurde rot im Gesicht und verlegen.
»Die vielen Jahre, die wir schon zusammen sind. Ich habe mich nie beschwert bei dir, dass du jetzt auf einmal Komplexe bekommst, Ferdi.«
Jetzt wurde Ferdinands Kopf puterrot, aber Verlegenheit war es nicht, die diese Farbe in sein Gesicht zauberte, sondern blanker Zorn.
»Herrgott Gerda, jetzt werde mal nicht frivol auf deine alten Tage. Die Rasenhöhe meine ich, zwei Zentimeter, verstanden? Hol jetzt den Mäher und tanke ihn voll.«
Er schaute zu Wegners Grundstück hinüber und das Entsetzen traf ihn völlig unerwartet und mit voller Wucht.
Der dicke Wegner schob voller Stolz, einen funkelnagelneuen Rasenmäher, wie man an der Umverpackung erkennen konnte, vor sich her. Auf seiner Terrasse kam er zum Stehen und winkte Ferdinand zu.
Sofort, ohne nur eine Sekunde zu zögern, rannte Ferdinand zurück ins Haus und kam mit einem Zollstock, kleinen Holzpflöcken und einer Rolle mit Kordel bewaffnet zurück. Wo blieb Gerda mit dem Benziner?
Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Wegner seinen neuen Mäher auspackte.
Rasant aber konzentriert maß Ferdinand seinen Rasen mit langen Schritten ab. Hier und da blieb er stehen und steckte einen Holzpflock in den Rasen und markierte ihn bei zwei Zentimetern. Als er zufrieden war, nahm er die Rolle mit der Schnur und befestigte sie rundherum an den markierten Stellen der Pflocken.
Ferdinand genoss sein Werk und die Stille, die ihn umgab und erschrak. Wegner schob seinen Mäher schon über das satte Grün seines Rasens. Kein Laut war zu hören. Ferdinand war entsetzt. Teufelswerk? Er musste mehr wissen.
»Guten Morgen Herr Wegner, Sie haben einen neuen Rasenmäher wie ich sehe?«
Herr Wegner blieb stehen, »Ja, schon recht Herr Zacharias. Ein englisches Model, das Neueste vom Neuen. Mit Stromakku für eine volle Stunde und mit zentimetergenauer Schnitthöheneinstellung. Zwei Zentimeter auf den Millimeter genau. Perfekt üm einen englischen Rasen hinzubekommen.«
»Ferdinand, hier bin ich. Ich habe den Mäher vollgetankt, du kannst jetzt loslegen.« Gerda kam von hinten mit dem Benzinungetüm auf ihn zu.
Ferdinand wollte im eigenen Rasen versinken, aber Herr Wegner ließ das nicht zu.
»Und er macht keinerlei Geräusche, Herr Zacharias, damit könnte ich auch nachts mähen und keiner würde etwas merken. Kolossal sage ich Ihnen. Ist natürlich nicht billig, aber bei meiner Pension ..., Vater Staat kümmert sich eben um verdiente Beamte.«
»Was ist jetzt Ferdi, willst du den Rasen nun mähen, oder nicht?« Gerda spielte mit dem Zugseil des Mähers.
Ferdinand wusste, wann er seine aufkeimenden Hassgefühle auf Gerda umlenken musste, um sich beim wahren Adressaten nicht zu verraten.
»Geh weg mit dem Ding, Gerda. Mach dich vom Acker. Wir müssen zum Gartencenter.«
Gerda schaute Ferdinand verständnislos an, »ich mach mich bestenfalls vom Rasen und sei nicht immer so gemein zu mir, Ferdi.« Sie stampfte mit dem Fuß auf, drehte den Mäher um und schob ihn zurück zur Terrasse.
Herr Wegner kümmerte sich nicht weiter um die beiden und mähte seinen Rasen geräuschlos, auf exakt zwei Zentimeter Höhe, weiter.
Der Fachverkäufer für akkubetriebene Rasenmäher war um höchste Eloquenz bemüht, konnte aber auch mit psychologischer Fragetechnik punkten.
»Wie groß ist denn ihre Rasenfläche?«
Blöde Frage, Ferdinand hatte einen ernst zu nehmenden Gegner in der Nachbarschaft. Was interessierte da die Größe der Rasenfläche?
»Ist es ein Gebrauchsrasen oder ein Zierrasen? Haben Sie Enkelkinder? Wir haben auch Schaukeln für alle Altersklassen.«
Was sollte das? Ferdinand wollte einen Akkumäher, keine Enkelkinder.
»Oder möchten Sie vielleicht eine Minigolfanlage auf ihren Rasen bauen, wir hätten ein interessantes Basismodel mit individuellen Erweiterungen im Angebot.«
Ferdinand platzte der Kragen, »Hören Sie junger Mann, ich möchte lediglich einen Akkurasenmäher, der keinen Krach macht und zentimetergenau schneidet. Haben Sie Kapiert?«
»Bitte sei nicht so ungeduldig mit diesem freundlichen Mann, Ferdi. Vielleicht hat er eine Frau und Kinder und muss viel verkaufen, um sie ernähren zu können.« Gerda lächelte den Fachverkäufer großmütterlich an.
»Papperlapapp Gerda, halt deinen Rand. Hier geht es um mehr als nur unseren Rasen. Es geht um Ehre und meinen guten Ruf. Ich will den perfekten englischen Rasen. Also Herr Fachverkäufer, jetzt her mit dem Mäher, der das auch kann.«
Der junge Mann nahm nichts, aber auch wirklich nichts persönlich.
Er freute sich, dass er mit Rasissimo, dem weltweit mit Abstand teuersten Akkurasenmäher-Hersteller, einen, unter der Hand Vertrag, geschlossen hatte, der ihm, bei entsprechendem Umsatz, sein Spidercabrio finanzieren würde.
»Jetzt verstehe ich mein Herr, Sie haben Nachbarschaft und möchten sich optisch und rasentechnisch, abgrenzen?«
»Sie haben es erfasst.«
»Dann kann, ja darf es für Sie nur das Beste vom Besten sein. Bei einer strategisch angelegten Aufrüstung müssen Sie einen sofortigen Konter des Gegners ausschließen können. Da gibt es für Sie nur ein Model.«
Ferdinand glühte. Endlich hatte der Bursche begriffen, um was es ihm ging. »Also los, zeigen Sie mal her.« Der junge Fachverkäufer mit motorsportlichen Ambitionen lotste Ferdinand und Gerda zwei Gänge weiter.
»Hier, das ist er, der absolute und ultimative Aufsitzakkurasenmäher von Rasissimo mit fünfundachtzig Zentimeter Mähbreite und neunzig Minuten Akkulaufzeit. Darüber gibt es nur noch Traktoren. Was sagen Sie?«
»Aber Ferdi, dafür braucht man bestimmt einen Führerschein und so groß ist der Rasen doch gar nicht. Und was das Ungetüm wohl kosten wird und wir haben auch gar keine Garage dafür. Wo soll der denn im Winter stehen? Jedenfalls nicht in meiner Küche! Oh mein Gott, Ferdi!« Gerda war ganz außer sich und geriet in einen Redeschwall.
Doch Ferdinand interpretierte seine Frau gerade als Luft und fragte ungerührt, »zentimetergenau?«
Der Bursche nickte, beugte sich zu Ferdinand vor und flüsterte, »garantiert zentimetergenau.«
»Und wie viel?« Ferdinand rieb Daumen und Zeigefinger.
»Ihre Ehre und Ihr guter Ruf? Spielt der Preis da eine Rolle? Sie haben Glück, der hier ist ein Ausstellungsstück. Für Sie keine sechstausend, Anlieferung noch Heute und kostenlos. Abgemacht?«
»Na gut, ist gekauft. Am Nachmittag um fünf Uhr will ich mähen, verspäten Sie sich nicht und unterstehen Sie sich, mir mit einem leeren Akku anzukommen.«
Gegen vier Uhr saß Ferdinand unter seinem lodengrünen Schützenvereinsschirm, genoss sein Weizenbier und wartete.
Gerdas Meckerei, wegen des teueren Kaufs überhörte er. Immer noch war er der Herr im Haus. Hier ging es schließlich um höhere Werte, von denen Gerda, als Frau, nichts verstand.
Er schielte zu Wegner hinüber, der mit einem Gin Tonic unter seinem weißen Sonnenschirm, mit der roten Aufschrift, Mein Finanzamt, saß, den er von seinen Kollegen zum Pensionsantritt geschenkt bekommen hatte.
Seine Blicke glitten befriedigt über seinen Rasen, seine neue Errungenschaft, der Akkumäher, stand in Griffweite, rechts neben ihm.
Du wirst schon sehen, mein Freund, wer zuletzt lacht, lacht am Besten, ging es Ferdinand durch den Kopf.
Die Vorfreude, die ihn überkam ließ ihn übermütig sein Glas heben, »Prost Herr Wegner, ich gratulire zu ihrem Rasen. Gute Arbeit.«
Herr Wegner sah überrascht auf, tätschelte den neuen Mäher und prostete mit seinem Gin Tonic zurück, »gute Invesstitionen zahlen sich immer aus. Herr Zacharias.«
Ferdinand hörte wie die Haustürglocke anschlug. Überpünktlich. Die Show konnte beginnen.
Gerda schrie auf, »Ferdi komm schnell, die wollen mit diesem Ungetüm durch meinen Flur.«
Ferdinand sprang auf und rannte durch den Flur zur Haustür. Dort stand der junge Fachverkäufer höchstpersönlich, hinter ihm das Ungetüm eines Aufsitzrasenmähers.
»Tja Herr Zacharias, der Mäher passt nicht durch die Tür. Was jetzt, haben Sie einen Nebeneingang, der breiter ist?«
»Nein, habe ich nicht. Dann muss der eben über das Haus gehievt werden. Haben Sie für solche Fälle keinen Plan B?«
»Möglicherweise. Mein Schwager hat einen Kranverleih. Wird aber nicht billig, Wochenende, Sie verstehen?«
»Nun machen Sie schon Mann, das Ding muss hinter das Haus, und zwar heute noch.«
Ferdinand war zu allem entschlossen, koste es, was es wolle.
Der Schwager wurde angerufen. Der Fachverkäufer, der jetzt Lieferant war und Kranverleihvermittler mit Provisionsanspruch wurde, legte auf und strahlte, »mein Schwager kann in einer halben Stunde mit dem Kran hier sein. Kostet aber einen Tausender ohne Rechnung.«
Ferdinand überdachte kurz seine Finanzen. Die Sache wurde langsam teurer als gedacht.
»Na gut, sagen Sie ihrem Schwager er soll sich spurten, ich will bald meinen Rasen mähen.«
Der angehende Motorsportler sah sich schon, schneller als gedacht, mit seinem Spider über den Nürburgring brausen und gab dem Schwager das Okay.
Der Fachverkäufer gehörte zur Familie, das merkten die zahlreichen Nachbarn, die sich mittlerweile auf der Straße eingefunden hatten um das Schauspiel zu verfolgen sofort daran, dass der Schwager beinahe pünktlich war.
»Haben Sie das Geld cash?« Fragte der Schwager.
»Nein, ich werde es Ihnen überweisen. Gleich am Montag.« Gab Ferdinand zurück.
»Entweder die Tausend jetzt cash, oder es läuft über die Bücher und Sie überweisen mir zweitausend.« Blieb der andere hart.
Ferdinand kam ins Schwitzen. Er hatte nur 400 Euro im Haus. Was jetzt?
»Gerda«, rief er, »kommst du mal bitte schnell. Nun mach schon, wie lange soll ich noch auf dich warten?«
Gerda, die sich vor dem ganzen Trubel versteckt hatte, kam auf Ferdis Ruf hin im Spurt angelaufen, damit er nicht noch länger auf sie warten musste.
»Da bin ich Ferdi«, sie war außer Atem.
»Wie viel Geld hast du noch in deinen Strümpfen?«
»Ich habe mein Geld nicht in meinen Strümpfen, Ferdi. Es ist entweder in meiner Börse oder es liegt auf der Bank. Warum fragst du?«
»Mein Gott Weib! Ich brauche sechshundert Euro, sofort. Sie nach wo du die auftreibst, wie ist mir egal. Beeil dich gefälligst.«
»Du bist nicht nett zu mir Ferdi, aber ich werde sehen, was ich tun kann.« Gerda brauste schon wieder davon.
Ferdinand, der Fachverkäufer, der Schwager und die halbe Nachbarschaft warteten gespannt auf Gerdas Rückkehr.
Endlich kam sie. In den Händen sechs funkelnagelneue Hunderterscheine. Die Nachbarn applaudierten Gerda, der Schwager hielt die Hand auf, der Fachverkäufer zweigte gleich mal zweihundert als Provision ab und das Abenteuer konnte beginnen.
Der Akkuaufsitzrasenmäher kam an den Haken, der Schwager bediente die Hebel.
Kurz bevor der Mäher in die Lüfte hob, schwang sich Ferdinand beherzt auf den Sitz. Sein Triumph sollte vollkommen sein, dem Wegner sollte sein Gin Tonic im Glas gefrieren.
Gerda sah ihrem Ferdinand nach und rief »Ferdi, du fliegst ja.«
Die Nachbarschaft war aus dem Häuschen, als Ferdinand auf seinem Aufsitzmäher hockend, über sein Dach langsam dem Rasen zustrebte.
Unter sich, am gemeinsamen Zaun sah er Wenger stehen, der zu ihm nach oben schauend mit seinem Glas in der Hand, ihm anerkennend zuprostete.
Die Landung konnte sanfter nicht sein.
»Na bitte Herr Wenger, das ist doch mal eine Maschine von Aufsitzakkurasenmäher was? Schon mal so was gesehen?«
Herr Wegner murmelte hintergründig, »wird bestimmt eine schöne Party werden, Herr Nachbar«, und verzog sich unter seinen Sonnenschirm.
Das Spektakel hatte aber sein Ende noch nicht gefunden. Die Nachbarn die den Abflug von Ferdinand beobachteten, wollten sich seiner guten Landung nun auch vergewissern und strömten, an der verdutzten Gerda vorbei, durch den Hausflur in den Garten.
Ferdinand saß auf seinem Mäher mitten auf seinem Rasen. Die stille Post der Nachbarn, hatte gute Dienste geleistet und dutzende Menschen trampelten erregt über Ferdinands Rasen um seinen neuen Aufsitzmäher und die gelungene Landung zu bestaunen. Kinder tanzten und spielten Fangen, fremde Hunde, die ihren Herrchen und Frauchen hinterherliefen, buddelten Löcher in das satte Grün, derbe Stiefel und hochhackige Damenpumps verursachten hässliche Löcher, ein Maulwurf und seine Familie wurden geweckt und gruben von unten, aus Protest, kleine Erdhügel nach oben, Gerda ganz die gute alte Hausherrin erinnerte sich an ihre Gastfreundschaft und servierte schnell diverse Säfte in Gläsern für die Kleinen und Ferdinands Weizenbier für die Großen.
Ferdinand wollte schreien, toben und die ganze Bagage von seinem Rasen jagen. Aber wie? Er war der Held des Nachmittages und Helden ließen sich gratulieren und beglückwünschen. Helden leiden immer einsam, lernte Ferdinand und machte gute Miene zum bösen Spiel.
Es war neunuhr morgens am Sonntag. Ferdinands Albtraum hatte erst gegen Mitternacht sein Ende gefunden, als sein gesamtes Weizenbier aufgebraucht war. Sein Vorrat für den ganzen Monat in den Blasen seiner Nachbarn.
»Möchtest du ein Salamibrötchen Ferdi?«
»Ja, was sonst und mach zwei Scheiben drauf.«
»Und auch noch etwas frischen Kaffee?«
»Ja, mach schon. Wo hattest du eigentlich das ganze Geld so schnell her?«
»Ach weißt du Ferdi, auch wenn du nicht immer so ganz nett zu Herrn Wegner bist, mich mag er gerne. Er ist so ein feiner Mann, der Herr Wegner, nie ein böses Wort.«
Ferdinand schlabberte mit dem Kaffee und starrte seine Frau fassungslos an, »du hast dir das Geld vom Wegner geliehen? Bist du denn wahnsinnig?«
Konsterniert sah Gerda ihn an.
»Herr Wegner bitte, so viel Zeit muss sein, Ferdi. Aber ja, woher sollte ich das Geld denn sonst so geschwind herbekommen. Er ist so ein netter Mensch, der Herr Wegner, immer ein offenes Ohr hat er, immer ist er hilfsbereit. Ach, was für ein liebenswerter Mann er ist und immer so alleine.«
Ferdinand hatte genug, er war restlos bedient. Mit Tempo erhob er sich von seinem Stuhl um sich der Katastrophe namens Rasen zu stellen.
Mutig und entschlossen öffnete er die Terrassentür. Was er sah, war keine Katastrophe. Nein, hier hatte eindeutig eine kriegerische Invasion stattgefunden. Von Rasen konnte keine Rede mehr sein, dass was vor seinen Augen lag, war ein Schlachtfeld, welches Verdun alle Ehre machte..
Einsam und verloren, mitten darauf, sein neuer Akkuaufsitzrasenmäher.
Herr Wegner nebenan, erhob sich aus seinem Gartenstuhl und schlenderte mit einer Tasse Kaffee in der Hand zum Gartenzaun.
»Das war ja mal eine tolle Party gestern Abend. Mein Kompliment Herr Nachbar. Und meinen Dank an Ihre reizende Gattin für das kühle Weizenbier, trink ich ja eigentlich nicht, aber, na ja, zur Feier des Tages.«
Ferdinand wurde Speiübel, rang sich aber verbissen durch, »Danke für Ihre Leihgabe gestern. Morgen bekommen Sie Ihr Geld zurück.«
»Och, lassen Sie sich ruhig Zeit. Ich vermute, Sie hatten gestern genug Ausgaben, bei mir drängt es ja nicht, Sie wissen schon, Vater Staat ...«
»... sorgt für seine verdienten Exbeamten«, vollendete Ferdinand resigniert den Satz.
»Genau Herr Zacharias und ich rate Ihnen dringend zum Kauf eines Pflugs, auf dem Acker da können Sie höchstens noch Kartoffeln ernten, eine Zugmaschine haben Sie ja schon. Schönen Sonntag, Herr Nachbar.«


Michael Uhlworm
Allerlei kurze und längere Geschichten Band 1
Humoristische, satirische und einfühlsame kurze- und längere Geschichten werden in diesem Buch vom Autor unterhaltsam und spannend, anhand der Lebenssituationen der Protagonisten erzählt. Tod, Trauer, Suche und Hoffnung sind die Grundthemen dieses Buches.
€11,50 Softcover




Nach dem Lesen zur Entspannung ein kurzes Video: Meine Yoga-Lehrerin 
Angelika Doerenberg und ich bei einer Online-Übung für Gelassenheit.

Sonntag, 13. Oktober 2019

Leseprobe: Herr Müller geht Shoppen und Daisy bekommt was übers Fell

Liebe Leserinnen und Leser,

anscheinend war es eine gute Idee euch eine Leseprobe über meinen liebenswerten Loser Herrn Müller und seine Hündin Daisy zu geben, denn ich habe einige eMails bekommen die nach einer weiteren Geschichte verlangten.

Es freut mich natürlich immer, wenn ich Menschen gut unterhalten habe und komme den Wünschen selbstverständlich gerne nach. Wie immer könnt ihr mir an meine eMail-Adresse schreiben:
michael.uhlworm@web.de. Ich bin für jede Anregung, jeden Kommentar offen. Oder hinterlasst euren Kommentar im dafür vorgesehenen Kommentarfeld auf meiner Autorenseite.

Jetzt jedenfalls bin ich sehr gespannt wie diese Herr Müller-Geschichte bei euch ankommt.



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Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn: 10 vergnügliche Geschichten um einen liebenswerten Loser

Herr Müller geht Shoppen und 
Daisy bekommt was übers Fell


Missmutig betrachtete Herr Müller seine Socken. Aus der Linken grüßte ihn sein nackter, dicker Zeh. Ein fettes Loch in der linken Socke. Er würde nicht umhinkommen sich ein neues Paar zu kaufen.
Er schaute aus dem Küchenfenster und kam zu dem Schluss, dass ein Spaziergang, verbunden mit einem kleinen Einkauf seine Laune heben könnte.
Behende und entschlossen sprang er auf.
»Auf Daisy genug geschlafen, lass uns ein wenig shop­pen gehen, ich brauche neue Socken.«
Daisy war ein Langhaar-Chihuahua-Weibchen und als solche einem Shoppingerlebnis gegenüber nicht abge­neigt.
Auf der Straße beschnüffelte Daisy gerade ihren ersten Baum als Herrn Müller einfiel, dass er beim Discounter Primakauf immer noch Hausverbot hatte. Dort würde er also keine neuen Socken erstehen können.
Er erwachte aus seiner Nachdenklichkeit als ihm Herr Bartschel mit einer Einkaufstüte von Kaufgut, ganz ohne seine Dogge Rüpel entgegenkam.
»Guten Morgen Herr Müller. Auch schon bei Kaufgut gewesen?« Er fuchtelte wild mit seiner Tüte und seine Augen glühten fiebrig.
Kein Zweifel, Herrn Bartschel war klar dem Einkaufswahn verfallen gewesen.
»Wahnsinn, einfach Wahnsinn«, er suchte nach Atem, »sagenhaft sage ich Ihnen. In der Tat, sagenhaft.«
Er schwang die Tüte wie wild, kreisend über seinen Kopf. Herr Müller wähnte Herrn Bartschel tatsächlich dem Wahnsinn verfallen, wenn da nicht immer dieses Wört­chen sagenhaft gewesen wäre, das ihn aufhorchen ließ.
»Ja Herr Bartschel, so beruhigen Sie sich doch, was ist denn nun so sagenhaft?« Seine Vermutung, dass er über therapeutisches Talent verfügte, verfestigte sich bei Herrn Müller augenblicklich.
»Nun Herr Müller, ob Sie es glauben oder nicht, ich komme gerade von Kaufgut und stellen Sie sich vor, die haben heute Socken im Angebot. Unschlagbar sage ich Ihnen. Nur ganze 1,99 das Paar. Ich habe gleich zugeschlagen und 20 Paar gekauft. Muss sich doch lohnen so ein Ein­kauf und überhaupt, Socken braucht man immer.«
Herr Bartschel schien sich langsam zu beruhigen, die Tüte von Kaufgut war wieder in der Senkrechten.
»Oh das ist ein guter Tipp von Ihnen«, pfiff Herr Mül­ler.
Therapeuten loben aus therapeutischen Gründen immer sehr viel, wusste Herr Müller und verstärkte seine the­rapeutische Maßnahme sofort, »danke, ich benötige nämlich auch dringend ein neues Paar, ich mache mich sofort auf die Socken.«
Bei Kaufgut angekommen, erinnerte sich Herr Müller nicht daran, hier jemals eingekauft zu haben.
Primakauf der Discounter hatte immer das, was er gerade benötig­te und das reichte ihm vollkommen. Ob Paprikachips oder Bettwäsche. Primakauf war seine bevorzugte Ein­kaufsquelle.
Verzagt erinnerte er sich an so viele glückliche Einkaufsta­ge zurück.
Jetzt hatte er da ja leider für unbestimmte Zeit Hausverbot.
Tapfer zog er an der Leine und trottete langsam voran. »Komm Daisy, dann wollen wir mal Socken kaufen gehen.«
Daisy schaute kurz zu ihm auf und legte mit schnellen, tippelnden Schritten den Turbo ein, damit Herrn Müller klar wurde, wer hier die Leinengewalt hatte.
Supersonderangebot! Socken! Das Paar für nur 1,99. Verkauf: sechste Etage.
Stand am Eingang auf einem großen Schild geschrie­ben.
»Mensch Daisy. Die haben aber viele Etagen hier. Pri­makauf hat ja nur ein Parterre, Etagen habe ich dort nie gesehen.«
Herr Müller war beeindruckt und leicht eingeschüch­tert. Er entdeckte die Rolltreppe. Er hatte schon neulich im Meldeamt vor dem Paternoster gehörigen Respekt gehabt und traute der Rolltreppe nicht über den Weg, bis ihn jemand von hinten ungeduldig drauf schubste.
Herr Müller therapierte sich schnell selber und war mit Daisy im Schlepptau, bald schon in der Obersten, der sechsten Etage, angekommen. Der Anblick, der sich ihm bot, war atemberaubend. Es sah Tische mit roten, schwarzen, blauen, grünen Socken, die allesamt von Menschen mit großen Tüten umringt waren. Emsige Verkäuferinnen waren allein nur damit beschäftigt, auf den Tischen für Nachschub an Socken zu sorgen. Herr Müller ließ seinen Blick schweifen und entdeckte einen Tisch mit weißen und braunen Socken, der völlig ver­waist war.
Sofort steuerte er darauf zu. Er war sich seiner Kaufent­scheidung nicht sicher. Sollte er ein Paar von den brau­nen, oder doch lieber die weißen Socken nehmen?
Ne­ben ihm meldete sich eine männliche, vertrauenerwe­ckende Stimme.
»Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack mein Herr. Während alle anderen sich um die modischste Farbe der Socken streiten, haben Sie stilsicher die wah­ren Klassiker, weiße und braune Socken im Blick. Tja, Mode vergeht, Stil bleibt.«
Herr Müller drehte sich der Stimme entgegen und sah auf eine dunkelblaue Krawatte. Er legte seinen Kopf weit in den Nacken und erkannte weiter oben, bei circa zwei Metern ein einnehmendes Gesicht um die fünfzig. »Ja sie müssen wissen, ich bin Sandalenträger und da ich nur braune Sandalen besitze, passen mir weiße oder braune Socken am besten dazu.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, wie viele Paar Socken darf ich Ihnen von jeder Farbe einpacken mein Herr? Sie wissen ja ganz sicher, unser Sonderangebot ist mit 1,99 je Paar Socken ohne Konkurrenz.«
Der Verkäufer hatte wie mit Zauberhand eine sehr gro­ße Tüte parat und blickte Herrn Müller fragend an.
»Tja ich bin mir bei der Farbe noch unschlüssig. Soll ich ein Paar von den Weißen oder doch lieber von den Braunen nehmen?«
Herr Müller hatte je ein Exemplar in den Händen und dachte nach.
Der Verkäufer schien ebenfalls nachzudenken und machte Herrn Müller eine kleine Rechenaufgabe auf.
»Sie möchten, wenn ich Sie richtig verstehe, nur ein einziges Paar dieser Socken kaufen?« Herr Müller nick­te zustimmend.
»Aber dann«, fuhr der Verkäufer fort, »machen Sie ein fürchterliches Minusgeschäft.«
Herr Müller blickte entsetzt auf. Er wollte auf keinen Fall Geld vergeuden, oder gar verlieren und fragte zur Vorsicht nach.
»Inwiefern?«
Der Verkäufer zückte einen Taschenrechner und sah Herrn Müller musternd an.
»Sie sind ein Mann, der mindestens fünfzig Euro die Arbeitsstunde wert ist. Das habe ich sofort erkannt, Sie sind ganz sicher hoch qualifiziert. Ich sehe an Ihrem Hund, dass Sie zu Fuß hierher gekommen sind und vermute, dass Sie eine gute halbe Stunde Fußweg bis hierher hatten. Ist das Richtig?«
Herr Müller war arg verdutzt über diese grandiose Rechen­leistung und nickte dem Verkäufer bejahend zu.
»Diese Socken«, fuhr der Verkäufer fort«, in dieser Qualität sind normalerweise unter fünf Euro nicht zu haben. Nicht wahr? Das heißt, Sie haben bei einem Paar Socken eine Ersparnis von drei Euro und einem Cent. Sie folgen mir mein Herr?« Herr Müller war baff und nickte erneut.
Der Verkäufer freute sich ebenfalls über die schnelle Auffassungsgabe seines Kunden und fuhr fort.
»Sie haben also eine gute halbe Stunde an Zeit investiert. Ja? Sie sind fünfzig Euro die Stunde Wert. Richtig?«
Der Verkäufer tippte jetzt wie wild auf seinem Taschen­rechner herum. Als er fertig war, lächelte er Herrn Mül­ler herzlich an.
»Damit sich Ihr Aufwand amortisiert müssten Sie, nach meiner genialen und unfehlbaren Rechnung, achtkommadrei Paar Socken kaufen. Also vier Paar weiße und vier Paar braune, würde ich empfehlen. Die nullkommadrei Pro­zent lassen wir einmal unter den Tisch fallen, wir soll­ten großzügig sein.«
Herr Müller geriet ins Schwitzen und dann ins Stottern, »acht Paar Socken ...?«
Der Verkäufer schüttelte tadelnd den Kopf.
»Aber nein mein Herr, ich bitte Sie, Sie sind doch ein gewiefter Geschäftsmann, ich meine, für so etwas habe ich einen unbestechlichen Blick. Niemals würden Sie unter einhundert Prozent Gewinn ein Geschäft abschlie­ßen. Ist das nicht so?«
Herr Müller war jetzt beruhigt. Niemand wollte ihn hier über den Tisch ziehen, sondern der Verkäufer hatte sich für ihn in einen smarten Finanzberater verwandelt. Und natürlich, Geschäft war Geschäft und Gelegenheiten ließ man sich nicht entgehen. Und so straffte Herr Mül­ler seine respektablen Einmeterzweiundsiebzig und fragte selbstbe­wusst, »wären denn nicht vielleicht auch zweihundert Prozent Gewinn drin? Ich habe schließlich kein Geld zu vergeuden.«
Der Verkäufer lächelte jetzt ein wenig hintergründig, »Sie sind mir ja einer, mein Herr. Mit allen Wassern ge­waschen sind Sie und gerissen sind Sie auch. Aber wis­sen Sie was? Da Sie mir so sympathisch sind, biete ich Ihnen glatte dreihundert Prozent Gewinn an, aber das ist mein letztes Wort!«
»Abgemacht!«
Herr Müller streckte staatsmännisch sei­ne Hand zur Besiegelung des Geschäftes aus und der Verkäufer umfasste sie ergriffen mit beiden Händen und machte einen Diener.
In jeder Hand eine große volle Tüte, in der Linken die weißen, in der Rechten die braunen Socken, begab sich Herr Müller eine Etage tiefer.
Daisys Leine hatte er an seinen Gürtel verknotet.
Unten auf der fünften Etage angekommen, stand schon eine junge Frau um die achtundzwanzig und bereit, ihn zu empfangen.
»Ah sieh an, ich habe Sie sogleich erkannt, Sie sind doch der clevere Geschäftsmann von der sechsten Eta­ge, der mit den stilsicheren Socken?«
Sie breitete Ihre Arme aus und herzte ihn, mit Küsschen, links und rechts auf die Wangen.
»Seien Sie uns auf der fünften Etage herzlich willkom­men! Wir haben Sie sehnlichst erwartet. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lang uns bis zu Ihrer Ankunft, die Zeit wurde.«
Herr Müllers Wangen glühten, er war zu keinem Ton fä­hig, von der Schönen und sich selbst überwältigt. Er glotzte die Schöne nur ungläubig an.
Die schnippte mit den Fingern und ein ebenso junger Mann kam mit einem Tablett, auf dem sich ein Glas Sekt und ein Hundeleckerli befanden.
Sie reichte ihm schwungvoll das Glas, bückte sich und stopfte Daisy schnell und hart das Leckerli ins kleine Mäulchen.
»Aber bitte kommen Sie doch mit mir, ich habe schon einmal etwas für Sie vorbereitet. Sie werden so was von begeistert sein.«
Sie hakte sich wie eine gute Freundin in seinen Arm ein und führte ihn zu einem, mit allen möglichen Unterwäschen, vollgeladenen Verkaufs­tisch.
Der junge Mann eilte auf einen flotten Wink von ihr mit einem Stuhl herbei.
»Bitte nehmen Sie doch Platz, seien Sie unser Gast.«
Sanft fasste sie seine Schultern und drückte ihn auf den Stuhl nieder.
Herr Müller versuchte, seine Sprache wiederzufinden, »bitte ich verstehe nicht ganz ...?«
»Aber das macht doch nichts«, flötete sie, »ich habe dann schon einmal etwas für sie aussuchen lassen.«
Sie zeigte mit einladender Handbewegung auf den Tisch.
»Na was sagen Sie? Ist das nicht fantastisch? Diese Un­terwäsche ist natürlich keine normale Unterwäsche. Es käme mir nicht in den Sinn, gerade Ihnen billige, ge­wöhnliche Unterwäsche für Jedermann anzubieten. Nein dies ist der neueste Schrei, Funktionsunterwäsche für den Herrn mit Stil und Körperbewusstsein und, sie ist selbstverständlich, aber auch nur heute, im Son­derangebot. Was sagen Sie, ist das nicht wunderbar. Ist das nicht Fantastisch
Sie schaute begeistert auf ihn herab und zückte ein klei­nes, rosafarbenes Taschentuch, um ihre Freudentränen zu trocknen.
Herr Müller fühlte sich erschöpft aber erhaben und als cleverer Geschäftsmann anerkannt. Er konnte Daisys Leine wieder in der Hand halten, da der junge Mann aus der fünften Etage seine Einkaufstüten trug, die sich jetzt verdoppelt hatten. Als sie zur vierten Etage herun­terfuhren, winkte ihm die Schöne aus der Fünften noch begeistert hinterher.
Ein infernalischer Lärm, der von einem Blasorchester verursacht wurde, empfing ihn auf der Vierten. Ein ele­ganter Herr um die sechzig im dunklen Nadelstreifen­anzug, flankiert von zwei jungen, weiblichen Auszubil­denden, trat auf ihn zu.
»Willkommen mein Herr. Ich bin der Direktor von Kaufgut und erbiete Ihnen meine Dienste. Meine Damen, bitte den Champagner und den Blumenstrauß für unseren Ehrengast.«
Jetzt wurde es Daisy zu bunt. Die laute Musik tat ihren Ohren nicht gut und des Weiteren fühlte sie sich mittler­weile übergangen und nicht genügend gewürdigt, was sie gar nicht schätzte. Also bellte sie ihren Ärger laut heraus.
Herr Müller jetzt schon leicht beschwipst vom Sekt und Champagner wollte sie zur Ordnung rufen aber mehr als ein gelalltes »Daisylein« kam nicht aus ihm heraus.
Der Direktor wandte sich kurz um und rief, »die Haus­dame bitte, sofort«, zu Herrn Müller gewandt, »unsere Hausdame bringt ihren entzückenden kleinen Hund in unsere Haustierabteilung, wo man bestimmt etwas Pas­sendes für ihn finden wird. Selbstverständlich haben wir auch dort qualifizierte Sonderangebote, die indivi­duell auf Sie ganz persönlich, verzeihen Sie, auf Ihren Hund zugeschnitten sind.«
Er lachte kurz und jovial.
»Nun ja, wie auch immer, wenn ich Sie nun zur Herren­ausstattung führen darf.«
Herr Müller, von seiner Daisy kurzfristig entledigt, ging Arm in Arm mit dem fürsorglichen Direktor dem Tross, samt Blasorchester voran.
Von der Vierten mit der Herrenausstattung ging es in die Dritte mit Sportbekleidung für den sportiven Mann und von dort weiter in die Zweite mit Haushaltsgeräten, die jeder Haushalt braucht um dann, quasi als Beloh­nung, in der Ersten schicke, edle Accessoires für den Herrn auszuwählen. Das Parterre mit der Damenober- und Unterbekleidung überging der Direktor aus takti­schen Gründen und führte Herrn Müller gleich abwärts bis ins Untergeschoss, wo ihn Daisy in Pink eingeklei­det und mit Pudelmütze auf dem Köpfchen, erwartete.
Die Tüten mit der Aufschrift: Bei Kaufgut ist gut ein­kaufen, hatten sich vervielfacht, was den Direktor aber nicht zu stören schien.
»Bitte machen Sie sich keine Sorgen mein Herr, unsere Kreditabteilung hat schon alles mit ihrer Bank abge­klärt. Ihre Kreditkarte ist für Ihre Einkäufe in unserem Haus als gesund und würdig befunden worden. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch.«
Der Direktor verneigte sich vor Herrn Müller, der über­haupt nichts mehr begriff.
»Aber woher wissen Sie denn von meiner Bank, ich verstehe gar nichts?« Lallte Herr Müller ergriffen und champagnertrunken.
»Die Socken mein Herr. Ihr erstes Geschäft mit uns.« Entgegnete der Direktor euphorisch.
»Ach, Socken habe ich auch gekauft? Welche Farben denn?« Herr Müller war ganz überrascht.
»Die ganz Stilechten, die in weiß und braun selbstverständlich. Jemand wie Sie kann sich nicht an modischem Schnick­schnack vergreifen.«
Der Direktor lächelte jetzt wieder herzlich und klopfte Herrn Müller kräftig und freundschaftlich auf den Rü­cken.
Alle Abteilungen waren durch.
»Nun mein Herr, gleich schließen wir unser Geschäft für Heute. Machen Sie sich keine Sorgen, unser Hauschauffeur wird Sie mit ihren Einkäufen, auf unsere Kosten versteht sich, sicher nach Hause bringen. Meine Empfehlung mein Herr.«
Ein kurzer Händedruck des Abschieds und der Direktor war verschwunden, das Blasorchester und die Auszubil­denden auch.
Erschöpft und noch berauscht saß Herr Müller auf sei­nem alten braunen Cordsofa, umringt von Einkaufstüten.
Daisy knabberte verärgert an ihrem neuen, pinkfarbe­nen Hundemantel herum, der ihr gar nicht be­hagte.
Er suchte in dem ganzen Tohuwabohu nach einer Tüte Paprikachips, fand aber nur einen Werbeflyer von Kauf­gut, den der Chauffeur ihm, vielleicht mit Absicht, da­gelassen hatte. Er las:
Heute bei Kaufgut viele interessante, unfassbare Son­derangebote!
Darunter, ganz klein geschrieben, las er weiter:
Alle Sonderangebote sind vom Umtausch grundsätzlich ausgeschlossen! Rückgabe unmöglich!
Sekt und Champagner taten ein gutes Werk und ließen Herrn Müller keine Zeit zum Hadern und bedauern und beförderten ihn in seligen Schlaf. Die Kaufreue musste bis zum nächsten Morgen warten.






Michael Uhlworm
Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn
Herr Müller, Chihuahua Daisy und der alltägliche Wahnsinn. Der liebenswerte Loser Herr Müller und Daisy erleben humorvolle Abenteuer in ihrem wahnwitzigen Alltag, beim Shopping, Frisör, im Fitnessstudio, bei einer Vorladung, mit Antiquitäten und mehr..
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